Entscheidungsstichwort (Thema)

Schriftform. Angabe von Kündigungsgründen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Bezugnahme auf ein vorangegangenes Gespräch, in welchem dem Arbeitnehmer die gegen ihn erhobenen Vorwürfe erläutert worden sind, genügt nicht dem Erfordernis einer Angabe des Kündigungsgrundes im Kündigungsschreiben selbst gemäß § 54 BMT-G II.

 

Normenkette

BGB § 125 S. 1; BMT-G II § 54

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 18.04.1997; Aktenzeichen 58 Ca 40027/96)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 10.02.1999; Aktenzeichen 2 AZR 176/98)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 18. April 1997 – 58 Ca 40027/96 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der am 22. Mai 1964 geborene Kläger, der verheiratet und drei Kindern unterhaltspflichtig ist, stand seit dem 4. Juli 1991 in den Diensten der Beklagten. Er wurde als Hausarbeiter im Bereich eines Krankenhausbetriebes beschäftigt. Auf sein Arbeitsverhältnis fand kraft beiderseitiger Tarifbindung der BMT-G II Anwendung.

Mit Schreiben vom 7. Oktober 1996 kündigte der Beklagte dem Kläger fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 31. Dezember 1996. In dem Schreiben hieß es:

„Aus den mit Ihnen geführten Gesprächen wissen Sie, daß durch eine Arbeitskollegin Vorwürfe gegen Sie erhoben wurden. Diese Vorwürfe sind Ihnen in Anwesenheit eines Personalratsvertreters am 17.09.1996 erläutert worden, und Sie hatten Gelegenheit, sich dazu zu äußern.

Wir sehen uns veranlaßt, das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aus bekannten Gründen fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 31.12.1996 zu kündigen.”

Das Arbeitsgericht Berlin hat festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose noch die hilfsweise ausgesprochene fristgemäße Kündigung vom 7. Oktober 1996 aufgelöst worden sei. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei formnichtig, weil der Beklagte es entgegen § 54 BMT-G II versäumt habe, konkrete Tatsachen mitzuteilen. Da der Beklagte mit dem Kläger auch am 24. September 1996 ein Gespräch geführt habe, sei nicht klar, ob auch das dort behandelte Verhalten des Klägers gegenüber einer weiteren Mitarbeiterin eine kündigungsrelevante Rolle gespielt habe. Weiter könne dem Text des Kündigungsschreibens nicht entnommen werden, ob der Beklagte eine Verdachts- oder aber eine Tatsachenkündigung habe aussprechen wollen.

Gegen dieses ihm am 16. Juli 1997 zugestellte Urteil richtet sich die am 18. August 1997, einem Montag, eingelegte und am 15. September 1997 begründete Berufung des Beklagten. Er verweist unwidersprochen darauf, daß dem Kläger am 17. September 1996 der gegen ihn erhobene Vorwurf dreimaliger sexueller Belästigung einer Kollegin erläutert worden sei. In dem weiteren Gespräch vom 24. September 1996 habe es sich neben dem erneut angesprochenen Vorwurf sexueller Belästigung darum gehandelt, daß der Kläger eine andere Kollegin bedroht habe. Auf diesen Vorwurf sei jedoch im Kündigungsschreiben nicht verwiesen worden. Dementsprechend sei der Kläger selbst davon ausgegangen, daß die Kündigung allein wegen der ihm vorgeworfenen sexuellen Belästigungen erfolgt sei. Auch habe der Kläger klar erkennen können, daß man keinen Anlaß gesehen habe, an den Aussagen seiner Kollegen zu zweifeln, und sich nicht bloß auf einen entsprechenden Verdacht habe stützen wollen. Damit sei aber der tariflichen Formvorschrift Genüge getan.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt.

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und meint, durch das Kündigungsschreiben im Unklaren gelassen worden zu sein, welche der gegen ihn von seiner Kollegin erhobenen Vorwürfe sexueller Belästigung vom Beklagten als wahr und kündigungsrelevant übernommen worden sei, nachdem er sich bei seiner Anhörung nicht auf bloßes Leugnen beschränkt, sondern auf verschiedene Hilfstatsachen hingewiesen habe, welche die Behauptungen seiner Kollegin zu erschüttern geeignet seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die gemäß § 222 Abs. 2 ZPO fristgemäß eingelegte Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist weder durch die außerordentliche noch durch die vorsorgliche ordentliche Kündigung des Beklagten vom 7. Oktober 1996 aufgelöst worden. Beide Kündigungen sind gemäß § 125 Satz 1 BGB, Art. 2 GBGB, § 1 Abs. 1 TVG nichtig, weil sie nicht dem Schriftformerfordernis des § 54 BMT-G II entsprechen, der auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft beiderseitiger Tarifbindung gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 TVG Anwendung fand.

Nach § 54 BMT-G II bedürfen Kündigungen durch den Arbeitgeber nach Ablauf der Probezeit der Schriftform unter Angabe des Grundes. Diesem Erfordernis hat der Beklagte mit seiner Bezugnahme auf eine vorangegangene mündliche Erläuterung der g...

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