Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütungsanspruch bei Streik und bezahltem Sonderurlaub

 

Leitsatz (amtlich)

Der Vergütungsanspruch des Angestellten bei bewilligtem und angetretenen Sonderurlaub nach § 50 Abs. 1 BAT entfällt noch nicht deshalb, weil sich der Arbeitnehmer vor und nach diesem Zeitraum an einem gewerkschaftlich geführten Streit beteiligt hat.

 

Normenkette

BAT § 50 Abs. 1, § 47 Abs. 2, § 26; GG Art. 9 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 29.10.1990; Aktenzeichen 19 Ca 65/90)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29. Oktober 1990 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 19 Ca 65/90 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die 40jährige Klägerin steht seit dem 23. Februar 1973 in den Diensten des beklagten Landes. Sie wird seit 1. Oktober 1987 beim Bezirksamt …, das 56 Kindertagesstätten mit 816 Vollzeitstellen für Erzieher/innen unterhält, als Kindertagesstättenleiterin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft Tarifbindung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Die Klägerin ist in die Vergütungsgruppe IV b der Anlage 1 a BAT eingruppiert und erhielt 1990 eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 4.069,39 DM.

In der Zeit vom 12. bis 15. Dezember 1989 beteiligte sich die Klägerin an dem Streik der Erzieherinnen und Erzieher in Berlin (West). Auf ihren Antrag hin gewährte ihr die Beklagte mit Schreiben vom 12. Januar 1990 für die Durchführung eines Heilverfahrens einschließlich sich daran unmittelbar anschließender Nachkur oder Schonungszeit Sonderurlaub ab 14. Februar 1990. An dem erneut ab 15. Januar 1990 bis zunächst bis zum 27. März 1990 durchgeführten Streik nahm die Klägerin vom 15. Januar bis zum 13. Februar 1990 erneut teil. Ab 14. Februar begab sie sich in die Kurbehandlung, die bis zum 14. März 1990 dauerte und sodann in die bis zum Wochenende dauernde ärztlich verordnete Nachkur oder Schonungszeit. Ab Montag, dem 19. März 1990, nahm die Klägerin bis zum 27. März 1990 und wieder am 11. Mai 1990 am Streik der Erzieher teil.

Das beklagte Land weigerte sich mit Rücksicht auf die Streikteilnahme der Klägerin, an sie die Vergütung für die Zeit vom 14. Februar bis zum 18. März 1990 zu zahlen.

Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 30. Mai 1990 eingegangenen und der Beklagten am 12. Juni 1990 zugestellten Klage hat sie Vergütungsansprüche in Höhe von 4.883,27 DM brutto abzüglich des von der Sozialversicherung erhaltenen Übergangsgeldes, des Zusatzkrankengeldes und der Berlin-Zulage in Höhe von insgesamt 3.021,26 DM netto gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß die Beklagte zur Zahlung verpflichtet sei, da der Sonderurlaub ihr bereits vor dem Beginn des Streikes gewährt und von der Beklagten auch nicht widerrufen worden sei. Während der Kur sei sie, die Kläger in, auch nicht arbeitsunfähig gewesen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.883,27 DM brutto abzüglich 3.021,26 DM netto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 16. Juni 1990 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin könne nicht, so hat das beklagte Land ausgeführt, für die fragliche Zeit einen Vergütungsanspruch geltend machen, weil sie im Falle der Nichtgewährung des Sonderurlaubes am Streik teilgenommen und ihr ohnehin kein Vergütungsanspruch deshalb zugestanden hätte. Auf jeden Fall sei das Zahlungsverlangen der Klägerin rechtsmißbräuchlich, da sie jede sich ihr bietende Gelegenheit zur Streikteilnahme genutzt habe. Im Zeitpunkt der Bewilligung des Sonderurlaubes sei für sie, die Beklagte, nicht abzusehen gewesen, daß in der Kurzeit gestreikt werden würde, weil bis zum Kurbeginn noch ein Monat Zeit geblieben und seitens der Gewerkschaft nur ein einwöchiger Streik ab 15. Januar 1990 angekündigt worden sei. Ein Widerruf des Sonderurlaubes sei ihr auch nicht möglich gewesen, weil sie, die Beklagte, nicht gewußt habe, wer sich am Streik beteilige.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im einzelnen in der ersten Instanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, §§ 313 Abs. 2, 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

Durch am 29. Oktober 1990 verkündetes Urteil hat die Kammer 19 des Arbeitsgerichts Berlin der Klage stattgegeben und den Wert des Streitgegenstandes auf 1.862,01 DM festgesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe der genannten Entscheidung verwiesen.

Gegen das ihrem Prozeßbevollmächtigten am 6. Februar 1991 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin am 28. Februar 1991 eingegangene Berufung der Beklagten, die sie mit weiterem beim Rechtsmittelgericht am 27. März 1991 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Nachdem die Klägerin mit Zustimmung der Beklagten am 13. Mai 1991 ihr Leistungsbegehren teilweise zurückgenommen hat und nur noch Zahlung von der Beklagten in Höhe von 4.541,39 DM brutto abzüglich 3.021,26 DM netto nebst Zinsen verlangt hat, begründet ...

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