Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung des BAT (West) auf Arbeitnehmer nach Rückkehr in den Ostteil Berlins. Gleichbehandlungsgrundsatz. Rechtsirrtum des Arbeitgebers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist verletzt, wenn ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes für eine größere Anzahl von Mitarbeitern, deren Arbeitsverhältnisses im Ostteil Berlins begründet worden ist und die während einer ursprünglich auf Dauer geplanten Versetzung in den Westteil nach BAT, (West) behandelt worden sind, nach deren Rückkehr in den Ostteil weiterhin BAT (West) anwendet, während einzelne Mitarbeiter, deren Versetzung für eine vorübergehende, nicht fest bestimmte Zeit geplant war, nach ihrer Rückkehr nach BAT-O behandelt werden.

2. Eine bei der Rückkehr gegebene Mitteilung oder auch Zusage auf Weiteranwendung des BAT (West) stellt keinen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung dar.

3. Beruht die Ungleichbehandlung auf einem Rechtsirrtum des Arbeitgebers, der angesichts der Rechtsunsicherheit und divergierender Entscheidungen der Instanzgerichte nachvollziehbar ist, kann eine dem Gleichheitssatz entsprechende Ordnung dadurch gewahrt werden, daß der Arbeitgeber nach Kenntnis der die Rechtsunsicherheit beseitigenden Urteile des Bundesarbeitsgerichts die gleichbehandlungswidrigen Leistungen nach BAT (West) einstellt und die ihm in Ansehung der tariflichen Ausschlußfristen noch möglichen Rückforderungsansprüche gegenüber den übertariflich behandelten Mitarbeitern erhebt und unter Beachtung des Einwands des Wegfalls der Bereicherung auch durchsetzt.

 

Normenkette

BGB § 611; GG Art. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 17.05.1994; Aktenzeichen 86 Ca 36335/93)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. Mai 1994 – 86 Ca 36335/93 – dahin geändert, daß die Klage für den Zeitraum vom 21. März 1995 bis 30. Juni 1996 abgewiesen wird.

2. Die Kosten der ersten Instanz tragen die Parteien je zur Hälfte, von den Kosten der zweiten Instanz tragen die Klägerin 4/5 und der Beklagte 1/5.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten jetzt noch über die Anwendbarkeit des BAT (West) auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin für den Zeitraum vom 21. März 1995 bis 30. Juni 1996.

Die tarifgebundene Klägerin war vom 1. Januar 1983 bis zum 14. Dezember 1990 beim D. S. in Ost-Berlin beschäftigt. Am 15. Dezember 1990 nahm sie eine Tätigkeit beim S. Amt der Stadt Berlin auf. Nach Überführung dieser Einrichtung nach den Bestimmungen des Einigungsvertrages ist die Klägerin seit dem 1. Januar 1991 unbefristet, zuletzt mit % der vollen tariflichen Arbeitszeit, beim S. Landesamt Berlin beschäftigt.

Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 10. Juni 1991 ist vereinbart, daß sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT-O vom 10. Dezember 1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der TdL jeweils geltenden Fassung sowie den speziellen Berliner Tarifverträgen bestimmt. Als Vergütungsgruppe ist die Gruppe IV b der Anlage 1 a zum BAT-O angegeben.

Bis Mitte April 1992 arbeitete die Klägerin im Referat II A 2 im Dienstgebäude H.-Straße im Ostteil der Stadt. Vom 15. April 1992 bis 20. März 1995 arbeitete sie im Dienstgebäude F. im Westteil der Stadt. Infolge des Umzuges des S. Landesamtes arbeitet die Klägerin seit dem 21. März 1995 im neuen Dienstgebäude des Amtes in der A.-Straße im Ostteil der Stadt.

Der Beklagte zahlte der Klägerin zunächst während des Einsatzes im Westteil der Stadt weiterhin Vergütung nach BAT-O. In Ansehung der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Beklagte inzwischen die Differenzvergütung zwischen BAT-O und BAT (West) an die Klägerin für den Zeitraum vom 15. April 1992 bis 20. März 1995 nachgezahlt. Seit der Rückkehr der Klägerin in das Dienstgebäude im Ostteil der Stadt erhält sie wiederum Vergütung nach BAT-O. Der Streit der Parteien betrifft die Frage, ob das beklagte Land aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet ist, der Klägerin auch über den 20. März 1995 hinaus Vergütung nach BAT (West) zu zahlen.

Das beklagte Land beschäftigte vom 1. Januar 1991 bis 30. Juni 1996 im S. Landesamt zwischen 107 und 135 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Davon waren im Laufe der Jahre 76 übernommene Dienstkräfte, deren Arbeitsverhältnis im Ostteil begründet worden war, für verschiedene Zeiträume von unterschiedlicher Länge im S. Landesamt im Westteil der Stadt eingesetzt. Von diesen erhielten 68 Dienstkräfte für die Zeit ihres Einsatzes im Westen Vergütung nach dem BAT (West). Nach deren Rückkehr in das Dienstgebäude im Ostteil der Stadt zahlte der Beklagte diesen Dienstkräften weiterhin Vergütung nach BAT (West), und zwar bis zum 30. Juni 1996, sofern sie nicht vorher bereits ausgeschieden oder beurlaubt waren.

Außer der Klägerin zahlte der Beklagte zunächst an weitere sieben Dienstkräfte weiterhin Vergütung nach BAT-O, weil diese ihre Tätigkeit im Westteil nach Bekanntgabe de...

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