Zulassung: Revision

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

betriebliche Übung im öffentlichen Dienst, Absenkung der Löhne durch Gesetz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Durch das Berliner EinkommAngG vom 07.07.1994 wurden die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Land Berlin ermächtigt, eine übertarifliche Angleichung der Löhne der Arbeitnehmer des Tarifkreises Ost vorzunehmen.

2. Die jahrelange Zahlung des Westtarifes begründete eine betriebliche Übung, auf Dauer 100 % des Westtarifs zu zahlen, und wurde damit Inhalt des Arbeitsvertrages des Begünstigten, der auch nicht das Schriftformerfordernis des § 4 BMT-G-O entgegensteht.

3. Die Änderung des EinkommAngG vom 10.07.2002, die einen Einbehalt in Höhe von 1,41 % der Löhne der Arbeitnehmer des Tarifkreises Ost vorsieht, bewirkte keine unmittelbare Berechtigung, die Löhne ohne Änderung der vertraglichen Vereinbarung wieder abzusenken.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 611; BMT-G-O § 4; EinkommAngG § 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 27.02.2003; Aktenzeichen 60 Ca 23173/02)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 29.09.2004; Aktenzeichen 5 AZR 528/03)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27. Februar 2003 – 60 Ca 23173/02 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten, den monatlichen Bruttolohn des Klägers abzusenken.

Der Kläger ist bei der Beklagten, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, seit 1. Januar 1992 zu einem Verdienst von zuletzt 3.120,88 EUR als Berufskraftfahrer beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis unterliegt dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe – (BMT-G-O) vom 10. Dezember 1990 in seiner jeweils geltenden Fassung, nach dem die Beschäftigten ursprünglich Anspruch auf einen Verdienst von 60 %, nach einer stufenweisen Anhebung ab Januar 2002 von 90 % und seit dem 1. Januar 2003 von 91 % des Verdienstes der vergleichbaren Arbeitnehmer in den Alt-Bundesländern haben.

Das B. Abgeordnetenhaus wollte die Ungleichbehandlung der den Osttarifen unterliegenden Arbeitnehmer ausgleichen. Das Einkommensangleichungsgesetz (EinkommAngG), das vom Berliner Gesetzgeber am 7. Juli 1994 verkündet wurde, sah daher ab 1. April 1994 eine stufenweise Anhebung der Bruttobezüge der landesunmittelbaren und landesmittelbaren Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die dem Tarifkreis Ost unterfielen, vor. Wegen des Wortlautes des Gesetzes wird auf Seite 5 des angefochtenen Urteils (Bl. 75 d.A.) verwiesen. Die erhöhten Zahlungen wurden in die nachfolgenden Haushaltspläne des Landes und auch in die Wirtschaftspläne der Beklagten eingestellt. Entsprechend diesen Vorgaben erhalten diese Arbeitnehmer seit dem 1. Oktober 1996 Entgelt in Höhe von 100 % der Westbezüge, so auch der Kläger, ohne dass dies ausdrücklich mündlich oder schriftlich vereinbart wurde.

Seit 1. Januar 1999 werden Arbeitnehmer des Tarifgebiets West mit einem Eigenanteil zur Zusatzversorgung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) belastet, die die Arbeitgeber bis dahin durch Umlagen allein finanzierten. Dieser Eigenanteil betrug zunächst 1,25 %, seit 1. Januar 2002 1,41 % des versicherungspflichtigen Einkommens. Die Arbeitgeber erbringen darüber hinaus derzeit eine Umlage von 6,45 %. Für die Arbeitnehmer des Tarifkreises Ost wurde die Zusatzversorgung erst seit dem 1. Januar 1997 tariflich eingeführt. Diese erbringen bis heute keine Eigenbeteiligung, während die Arbeitgeber eine Umlage von 1 % erbringen.

Am 1. Juli 2002 trat das Gesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes und des Einkommensangleichungsgesetzes vom 10. Juli 2002 in Kraft, das in Art. II Nr. 1 durch Einführung eines neuen § 2 des Einkommensangleichungsgesetzes vorsah, dass von den Entgelten der Arbeitnehmer des Tarifkreises Ost, für welche vom Land Umlagen an die VBL abgeführt werden, ein Betrag von 1,41 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts einbehalten wird. Der Kläger unterfällt diesem Personenkreis und erhält seit Juli 2002 ein entsprechend gekürztes Grundgehalt. Die Änderung der Gesetzeslage teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 2. August 2002 mit.

Mit seiner am 22. August 2002 erhobenen Klage hat der Kläger die Feststellung der Pflicht der Beklagten auf ungekürzte Fortzahlung von 100 % der Westbezüge geltend gemacht. Er hat vorgetragen, das EinkommAngG in seiner ursprünglichen Fassung habe seinem Wortlaut nach in unlösbarem Zusammenhang mit dem Haushaltsplan gestanden. Es habe eine Ausgabenermächtigung im Sinne von § 3 Abs. 1 Landeshaushaltsordnung (LHO) vorgesehen, die gemäß ihres § 3 Abs. 2 keine Ansprüche begründe. Ansprüche hätten die Arbeitnehmer erst durch Umsetzung der unbefristeten haushaltsrechtlichen Ermächtigungen in die Arbeitsverträge erlangt, d.h. durch Vereinbarung oder betriebliche Übung. Die Änderung des Einkommensangleichungsgesetzes habe den inzwischen entstandenen arbeitsvertraglichen Anspruch nicht...

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