Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anwendbarkeit von § 4 KSchG bei fehlerhafter Berechnung der Kündigungsfrist. Klagefrist. Kündigungsfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

Die dreiwöchige Klagefrist nach § 4 KSchG findet keine Anwendung, wenn sich der Arbeitnehmer mit seiner Klage nicht gegen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses an sich durch die Kündigung wendet, sondern lediglich die Einhaltung der richtigen Kündigungsfrist verlangt.

 

Normenkette

KSchG §§ 4, 7; BGB § 622

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 22.12.2004; Aktenzeichen 29 Ca 20137/04)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. Dezember 2004 – 29 Ca 20137/04 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch über den Zeitpunkt der Beendigung ihres Arbeitsverhältnis.

Der Kläger war vom 27. April 1992 bis Ende 1995 als Raumausstatter bei der N. GmbH beschäftigt. Seit dem 1. Jan. 1996 war er für den Beklagten tätig, in dessen Betrieb regelmäßig weniger als 5 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Unter dem 17.3.1996 und dem 6.9.1999 stellte der Beklagte dem Kläger Bruttogehaltsbescheinigungen aus, nach deren Inhalt er ab 1.1.1992 mit allen Rechten und Pflichten von der „N. I. Design” übernommen wurde (Bl. 5 u. 6 d.A.). Mit Schreiben vom 30. Nov. 1995 hatte er dem Kläger zuvor mitgeteilt:

„Sehr geehrter Herr R., da mein Betrieb am 31.12.95 geschlossen wird ist eine Weiterbeschäftigung nicht möglich.

Der Betrieb N. I. Design B.str. 51 1… Berlin wird sie ab dem 01.01.95 mit allen Rechten und Pflichten übernehmen”.

Am 30. Juni 2004 übergab der Beklagte dem Kläger ein Kündigungsschreiben zum 31. August 2004 (Kopie Bl. 8 d.A.), das als Adresse des Klägers den B. Ring 6, 1… Berlin, aufwies. Nachdem der Kläger den Beklagten auf die falsche Adresse aufmerksam gemacht hatte, nahm der Beklagte das Kündigungsschreiben wieder an sich und überreichte dem Kläger am 1. Juli 2004 ein Kündigungsschreiben „B. Ring 53, 1… Berlin” (Kopie Bl. 7 d.A.).

Unter Anderem gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu dem im Kündigungsschreiben genannten Termin wendet sich der Kläger mit seiner am 18. August 2004 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen und dem Beklagten am 27. August 2004 zugestellten Klage, die er um Zahlungsansprüche erweitert hat. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung habe das Arbeitsverhältnis der Parteien erst zum 31.12.2004 beenden können. Sie sei ihm erst am 1. Juli 2204 zugegangen. Die erst zu diesem Zeitpunkt anlaufende Kündigungsfrist sei unter Einbeziehung seiner Vordienstzeit zu berechnen.

Er hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 31.8.2004 hinaus bis zum 31.12.2004 fortbesteht,
  2. festzustellen, dass dem Kläger im Rahmen der im Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten bestehenden Überstundenregelung ein Überstundenguthaben per 31.8.2004 von 15 Überstunden zusteht,

    hilfsweise für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis zum Entscheidungszeitpunkt bereits geendet haben sollte, den Beklagten zu verurteilen, als Abgeltung für Überstunden und Urlaub 1.623,25 EUR brutto an den Kläger zu zahlen,

  3. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 100,75 EUR netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1.9.2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat im Hinblick auf die Kündigung die Auffassung vertreten, dass der Kläger mit der Berufung auf die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist gem. § 4 KSchG präkludiert sei; denn er habe die Drei-Wochen-Frist zur Erhebung der Klage nicht gewahrt. Unabhängig davon dürfe die Vordienstzeit des Klägers nicht berücksichtigt werden. Ein Betriebsübergang sei nicht erfolgt. Jedenfalls aber sei zu beachten, dass die Kündigungsfrist bereits am 30. Juni 2004 zu laufen begonnen habe.

Mit einem am 22. Dezember 2004 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht Berlin – 29 Ca 20137/04 – unter Abweisung des weitergehenden Antrages festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 31.8.2004 hinaus bis zum 30. Nov. 2004 fortbestanden hat und den Beklagten zur Zahlung von Urlaubsabgeltung und Überstundenabgeltung sowie von

Restlohn verurteilt. Es hat dies im Hinblick auf den Tenor zu Ziffer I im Wesentlichen damit begründet, dass die Vordienstzeiten des Klägers mit Rücksicht auf die ihm zugesagte Übernahme mit allen Rechten und Pflichten in die Berechnung der Dauer der Kündigungsfrist einbezogen werden müssten, ohne dass es auf die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 613 a BGB ankomme. Dem Kläger sei es auch trotz Nichteinhaltung der Klagefrist des § 4 KSchG nicht verwehrt, sich darauf zu berufen; denn die Geltendmachung der fehlenden Einhaltung der zutreffenden Kündigungsfrist sei nicht von dieser Vorschrift erfasst. Der Kläger mache nicht die Unwirksamkeit der Kündigung geltend, sondern wende sich lediglich gegen den Beendigungszeitpunkt (wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 93 f d.A. verwiesen).

Gegen diese ihm am 21. Jan. 2005 zuges...

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