Entscheidungsstichwort (Thema)

Statusklage. Nachentrichtung der Sozialversicherungsbeiträge. Ausgleichsansprüche

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird in einem sogenannten Statusverfahren rückwirkend der Bestand eines Arbeitsverhältnisses festgestellt und zahlt der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge entsprechend nach, so steht ihm wegen der Arbeitnehmeranteile ein Erstattungsanspruch gegen den Arbeitnehmer zu (§ 670 BGB).

2. Dieser Erstattungsanspruch unterliegt den Beschränkungen des § 395 Abs. 2 RVO.

3. Den Arbeitgeber trifft in diesem Sinne jedoch kein Verschulden, wenn er vertretbar davon ausgehen konnte, es liege kein Arbeitsverhältnis vor. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Arbeitgeber trotz einer vereinzelten Entscheidung eines Arbeitsgerichts an seiner Auffassung festhält. Das gilt insbesondere dann, wenn die Krankenkasse als zuständige Einzugsstelle nach einer Betriebsprüfung keinen Heranziehungsbescheid erläßt.

4. Für die sich in diesem Zusammenhang ergebenden Streitigkeiten ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben; auch für Rückforderungsansprüche des Arbeitgebers wegen freiwillig gezahlter Zuschüsse zur Renten- und Krankenversicherung.

 

Normenkette

BGB § 670; RVO § 395 Abs. 2; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 48a Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 11.02.1986; Aktenzeichen 17 Ca 17/86)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 11. Februar 1986 – 17 Ca 153/85 und 17 Ca 17/86 – geändert bzw. aufgehoben.

II. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

 

Tatbestand

Der am 06.09.1947 geborene Kläger hat in der Türkei eine Ausbildung als Publizist abgeschlossen und wird seit dem 15.02.1981 als Sozialpädagoge im Rahmen der Durchführung von Maßnahmen zur Berufsvorbereitung und sozialen Eingliederung jugendlicher Ausländer (MBSE) in der Volkshochschule Tiergarten des beklagten Landes tätig. Grundlage dafür waren jeweils befristete Verträge, die der Leiter dieser Maßnahmen mit dem Kläger und anderen Mitarbeitern abschloß. Ein Arbeitsverhältnis wurde vertraglich nicht vereinbart. Der Kläger erhielt ein Honorar von 19,– DM je Stunde. Diese Einnahmen versteuerte der Kläger selbst. Gesetzliche Sozialabgaben wurden nicht abgeführt; der Kläger erhielt einen Zuschuß zur eigenen Sozialversicherung in Höhe von 15,25 % seiner Vergütung nach landeseinheitlichen Richtlinien über die sozialversicherungsrechtliche Behandlung arbeitnehmerähnlicher Personen. Auf den Tatbestand des zwischen den Parteien am 18.02.1981 ergangenen Urteils des Landesarbeitsgerichts Berlin – 12 Sa 115/84 – wird ergänzend und zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

Durch Urteil vom 25.09.1980 stellte die 17. Kammer des Arbeitsgerichts Berlin in einem vergleichbaren anderen Rechtsstreit im Bereich der Volkshochschule Kreuzberg fest, daß die dort betroffene und inzwischen ausgeschiedene Lehrkraft in einen Arbeitsverhältnis zum Lande Berlin gestanden habe (– 17 Ca 75/80 – ArbG Berlin). Dieses Urteil wurde dem Leiter der Maßnahmen im Rahmen der Volkshochschule Tiergarten zur Kenntnis gebracht und es kam unter Beteiligung von Vertretern der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zu Gesprächen mit den zuständigen Stadträten für Volksbildung, wobei die beteiligten Lehrkräfte und die Vertreter der Gewerkschaft der Meinung waren, daß für die Lehrkräfte der Status eines Arbeitnehmers angenommen werden müsse. Zu einer entsprechenden Anerkennung kam es jedoch nicht. Die Abteilung Volksbildung wandte sich jedoch an die Betriebskrankenkasse des Landes und der Stadt Berlin als Einzugsstelle im Sinne der §§ 1399 Abs. 3 RVO, 121 AVG, die eine entsprechende Betriebsprüfung veranlaßte. Am 20.02.1983 fand in diesem Zusammenhang ein Gespräch zwischen Vertretern der Abteilung Volksbildung und dem zuständigen Sachbearbeiter der Betriebskrankenkasse als Einzugsstelle statt. Dem lagen u.a. die Schreiben der Betriebskrankenkasse vom 22.02.1982 (Bl. 104 d. A.), des Datenschutzbeauftragten vom 29.03.1982 (Bl. 105/105 R d.A.) und der Betriebskrankenkasse vom 15.02.1983 (Bl. 106 d.A.) zugrunde; das letztere wurde unter dem 03.03.1983 ohne Einschränkung bestätigt (Bl. 123 d. A.). Der Betriebskrankenkasse war ebenfalls das bereits erwähnte Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25.09.1980 bekannt, ebenso wie das von den Vertretern der Abteilung Volksbildung in Bezug genommene Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.08.1982 zum Status eines Volkshochschuldozenten (Bl. 31 d. A.). Obwohl schließlich der Einzugsstellenprüfdienst des Landesarbeitsamtes, der von der Betriebskrankenkasse im Rahmen der Betriebsprüfung beteiligt worden war, in einem Schreiben vom 25.05.1983 die Ansicht vertrat, die im Rahmen des MBSE-Programms beschäftigten Lehrkräfte bzw. Sozialpädagogen übten eine versicherungspflichtige Tätigkeit aus (Bl. 115 d. A.), sah die Betriebskrankenkasse als Einzugsstelle von einer Heranziehung des beklagten Landes nach den §§ 1399 Abs. 3 RVO, 121 AVG ab, das nach Abschluß dieser Betriebsprüfung mit Schreiben der Abteilu...

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