Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialkassenpflicht im Baugewerbe aufgrund des Sozialkassenverfahrensicherungsgesetzes

 

Leitsatz (amtlich)

Das SoKaSiG ist eine wirksame Rechtsgrundlage für die Geltendmachung von Sozialkassenbeiträgen für die Jahre 2012 bis 2014. Das Gesetz ist verfassungsgemäß.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassen im Baugewerbe (Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz -SoKaSiG) vom 16.05.2017 entfaltet keine verfassungswidrige gesetzliche Rückwirkung und verstößt daher nicht gegen das vornehmlich im Rechtsstaatsprinzip verankerte Rückwirkungsverbot; das SoKaSiG gilt rückwirkend zum 01.01.2006 und greift damit nachträglich ändernd in abgeschlossene Sachverhalte ein (echte Rückwirkung).

2. Das SoKaSiG ist kein nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG verfassungswidriges Einzelfallgesetz.

3. Das SoKaSiG berührt nicht die Kompetenz der Rechtsprechung und steht damit der Gewaltenteilung nicht entgegen.

 

Normenkette

SokaSiG; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; SoKaSiG § 7 Abs. 4-5; SokaSiG § 7 Abs. 6; VTV-Bau § 15 Abs. 3, §§ 16, 18 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 06.09.2016; Aktenzeichen 15 Ca 80853/16)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 6. September 2016 - 15 Ca 80853/16 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von Sozialkassenbeiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer für die Monate Juli 2012 bis Dezember 2014 in Höhe von 113.231,65 Euro und die Zahlung von Sozialkassenbeiträgen für Angestellte für die Monate April 2014 bis Dezember 2014 in Höhe von 2.412,00 Euro.

Der Kläger ist die gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) in der jeweils geltenden Fassung.

Der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 18. Dezember 2009 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 21. Dezember 2011 wurde durch Allgemeinverbindlicherklärung vom 3. Mai 2012 rückwirkend zum 1. Januar 2012 für allgemeinverbindlich erklärt. Der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 18. Dezember 2009 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 17. Dezember 2012 wurde durch Allgemeinverbindlicherklärung vom 29. Mai 2013 rückwirkend zum 1. Januar 2013 für allgemeinverbindlich erklärt. Der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 wurde durch Allgemeinverbindlicherklärung vom 25. Oktober 2013 rückwirkend zum 1. Juli 2013 für allgemeinverbindlich erklärt. Der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 3. Dezember 2013 wurde durch Allgemeinverbindlicherklärung vom 17. März 2014 rückwirkend zum 1. Januar 2014 für allgemeinverbindlich erklärt. Die Bekanntmachungen der Allgemeinverbindlicherklärungen wurden jeweils im Bundesanzeiger veröffentlicht. Auch vor dem 1. Januar 2012 waren die Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe in ihren jeweiligen Fassungen jedenfalls seit 2002 für allgemeinverbindlich erklärt worden.

Die Beklagte, die sowohl gewerbliche Arbeitnehmer als auch Angestellte beschäftigt, unterhält im Westteil von Berlin einen Baubetrieb, in dem zeitlich überwiegend Hochbau- und Maurerarbeiten erbracht werden. Im Handelsregister wird als Gegenstand der Beklagten die Ausführung von Maurer- und Betonarbeiten sowie Gerüstbau angegeben. Die Beklagte ist weder Mitglied des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe noch des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie. Seit September 2002 nahm die Beklagte am Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft teil. Mit Schreiben vom 26. September 2002 (Anlage 2 des Schriftsatzes des Klägers vom 13. Februar 2017, Bl. 147 der Akte) beantragte die Beklagte die Eröffnung eines Beitragskontos für das Berliner Baugewerbe. In dem Stammblatt vom 30. Oktober 2002 (Anlage 1 zum Schriftsatz des Klägers vom 13. Februar 2017, Bl. 146 der Akte) gab die Beklagte zur ausgeübten Betriebstätigkeit an: "Bau 70%, Gerüstbau 30%".

Seit 2003 bis einschließlich Juli 2016 gab die Beklagte Meldungen zu den Sozialkassenbeiträgen für die gewerblichen Arbeitnehmer und zu den Sozialkassenbeiträgen für Angestellte ab. Wegen der Höhe der jeweils von der Beklagten bzw. von deren beauftragten Steuerbüro gemeldeten Bruttolöhne der gewerblichen Arbeitnehmer für den Zeitraum Juli 2012 bis Dezember 2014 wird auf die Seiten 2 bis 9 des Schriftsatzes des Klägers vom 25. August 2016 (Bl. 30 bis 37 der Akte) und wegen der Angaben zu den Meldungen der Sozialkassenbeiträge für die Angestellten für April 2014 bis Dezember 2014 wird auf die Seiten 9 bis 10 des Schriftsatzes des Klägers vom 25. August 2016 (Bl. 37 bis 38 der Akte) Bezug genommen.

Der Kläger führt für die Beklagte ein Beitragskonto. Das Beitragskonto mit Stand 24. Mai 2016 sah ein Soll von 207.294,44 Euro v...

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