Entscheidungsstichwort (Thema)

Orientierung des außergerichtlichen Gebührenstreitwerts am Inhalt des Hauptantrags. Befugnis des Rechtsmittelgerichts zur Streitwertfestsetzung. Unbeachtlichkeit des zurückgenommenen Feststellungsantrags bei Kostenquote

 

Leitsatz (amtlich)

1) Wird letztinstanzlich einem Hauptantrag stattgegeben, richten sich idR auch die vorinstanzlichen Gebührenstreitwerte nach den Hauptanträgen, und zwar unabhängig davon, ob erstinstanzlich über die - von der Entscheidung über den Hauptantrag (auflösend) abhängigen - Hilfsanträge entschieden worden war, weil eine Vorinstanz den Hauptantrag abschlägig beschieden hatte.

2) Das Rechtsmittelgericht kann den erstinstanzlichen Gebührenstreitwert nicht nur herabsetzen, sondern auch erstmals festsetzen, wenn dies bisher noch nicht geschehen war.

3) Hat das Arbeitsgericht über einen Antrag - hier den Weiterbeschäftigungsantrag - entgegen § 308 ZPO entschieden, ist das Urteil - ohne dass es eines förmlichen Entscheidungsausspruchs bedarf - zu berichtigen, um eine sonst eintretende Rechtskraft auszuschließen (vgl. BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13, Rn. 23).

4) Keine Berücksichtigung eines allgemeinen Feststellungsantrags im Rahmen der Kostenquote, wenn er vor der erstinstanzlichen Entscheidung zurückgenommen wird (anders im Fall einer Entscheidung über den allgemeinen Feststellungsantrag: LAG Berlin-Brandenburg 14. Juni 2021 - 26 Sa 603/19 (Bewertung mit 5 vH), ähnlich wie beim Auflösungsantrag.

 

Normenkette

GKG §§ 45, 63; KSchG § 4; ZPO §§ 307-308, 313b Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 08.11.2018; Aktenzeichen 42 Ca 2354/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der klagenden Partei wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. November 2018 - 42 Ca 2354/18 - im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als das Arbeitsgericht den Kündigungsschutzantrag abgewiesen hat. Es wird insgesamt klarstellend wie folgt gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 27. Januar 2018 nicht aufgelöst worden ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben der Beklagte 84 vH und die klagende Partei 16 vH zu tragen.

III. Der erstinstanzliche und der zweitinstanzliche Gebührenstreitwert werden auf jeweils 8.874,57 Euro festgesetzt.

IV. Revision und Rechtsbeschwerde werden nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien haben erst- und zweitinstanzlich mit einem Hauptantrag über die Wirksamkeit einer Kündigung gestritten. Den erstinstanzlich angekündigten allgemeinen Feststellungsantrag hat die klagende Partei vor der Entscheidung zurückgenommen und auch in der Berufungsinstanz nicht mehr gestellt. Mit einem weiteren Hauptantrag hat sie in beiden Instanzen Auskunft darüber begehrt, welchem Betriebsteil sie zugeordnet gewesen und auf wen dieser Betriebsteil übergegangen sei. Außerdem hat die klagende Partei Hilfsanträge gestellt, auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs (als Neumasseverbindlichkeit) und auf Abgabe eines Angebots auf Abschluss eines Fortsetzungsvertrages. Darüber hinaus hat die klagende Partei erstinstanzlich einen Antrag auf Weiterbeschäftigung gestellt. Die klagende Partei hat das Klageziel insoweit mit folgendem Antrag verfolgt:

"Für den Fall, dass der Beklagte im Gütetermin nicht zu Protokoll erklärt, dass er die Klagepartei im Falle des Obsiegens in der 1. Instanz bis zur Rechtskraft vertragsgerecht weiter beschäftigt und der Gütetermin erfolglos bleibt, wird folgender Antrag gestellt:

3. Der Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Flugbegleiterin auf den Mustern der A 320 Familie/A330 im Flugbetrieb der Insolvenzschuldnerin weiter zu beschäftigen."

Das Arbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich sämtlicher Anträge abgewiesen. Die klagende Partei hat das Urteil, soweit es den Weiterbeschäftigungsantrag betrifft, mit der Berufung nicht angegriffen.

Der Beklagte hat in Bezug auf den Kündigungsschutzantrag in der Berufungsinstanz ein Anerkenntnis abgegeben. Die klagende Partei hat die Berufung hinsichtlich des Auskunftsantrags zurückgenommen.

Einen erstinstanzlichen Gebührenstreitwert hat das Arbeitsgericht bisher nicht festgesetzt. Das durchschnittliche Bruttoeinkommen der klagenden Partei betrug 2.535,59 Euro.

Von einer weiteren Darstellung des Tatbestands wird abgesehen (§ 313b Abs. 1 Satz 1 ZPO).

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung ist - soweit zuletzt noch Gegenstand des Verfahrens - begründet. Aufgrund des Anerkenntnisses des Beklagten ist dieser dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen, § 307 Satz 1 ZPO.

III. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist wegen eines von Amts wegen zu beachtenden Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO insoweit rechtsfehlerhaft, als es den Weiterbeschäftigungsantrag abgewiesen hat.

1) Der Antragsgrundsatz na...

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