Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütungsdifferenz als Schadensersatz wegen Nichtberücksichtigung eines Teilzeitarbeitnehmers für eine freie Vollzeitstelle. befristete Beschäftigungsmöglichkeit. unverschuldeter Rechtsirrtum

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Arbeitgeber hat den Verlängerungswunsch eines unbefristet beschäftigten Teilzeitarbeitnehmers bei der Neueinrichtung von befristeten Beschäftigungsmöglichkeiten nicht zu berücksichtigen, weil insoweit ein entsprechender freier Arbeitsplatz im Sinne von § 9 TzBfG nicht vorliegt.

2. Der Schuldner kann im Falle einer von ihm vertretenen Rechtsauffassung, zu der es keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt, dann auf deren Richtigkeit vertrauen, wenn die Sach- und Rechtslage unklar und schwierig zu beurteilen ist. Die Rechtsfrage der Anwendbarkeit des § 9 TzBfG in den Fällen, in denen der Arbeitgeber Arbeitsplätze zwar mit vergleichbarer Tätigkeit, jedoch mit abweichenden Arbeitsbedingungen besetzt, stellt ein schwierig zu beantwortendes Rechtsproblem dar, wofür es zum Zeitpunkt der Entscheidung des Arbeitgebers keine höchstrichterliche Rechtsprechung gab. Dies führt dazu, dass die Voraussetzungen für einen unverschuldeten Rechtsirrtum vorliegen.

 

Normenkette

TzBfG § 7 Abs. 2, § 9; BGB §§ 276, 280

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 24.01.2007; Aktenzeichen 86 Ca 24556/05)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. Januar 2007 – 86 Ca 24.556/05 – teilweise abgeändert:

Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

II. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz wegen verweigerter Erhöhung seiner Arbeitszeit zu leisten.

Nachdem der Kläger von Oktober 2001 bis September 2002 im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrages als Bedarfskraft bei der Beklagten beschäftigt gewesen war, setzten die Parteien das Arbeitsverhältnis seit dem 1. November 2002 auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 25. Oktober 2002 als „Bedarfsarbeitsverhältnis auf Teilzeitbasis” auf Abruf zu einem vereinbarten „Deputat” von 1000 Arbeitsstunden jährlich unbefristet fort. Gemäß § 2 wurde u.a. die Geltung des BMT-G II und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Fassung sowie die der Zusatztarifverträge Nr. 1 und 2 der Beklagten zum BMT-G vereinbart. Der Kläger wurde als Straßen- und Grünflächenreiniger (SGR) eingesetzt; die Entlohnung erfolgte nach Lohngruppe 3 des Lohngruppenverzeichnisses der Beklagten mit Abrechnung von monatlich 83,35 Arbeitsstunden.

Nachdem die Beklagte die Zusatztarifverträge Nr. 1 und 2 zum 31. März 2004 gekündigt hatte, stellte sie in der Zeit vom 15. November 2004 bis zum 4. April 2005 insgesamt 143 Mitarbeiter für den Straßenreinigungsdienst in Vollzeit neu ein; und zwar für die Dauer von zwei Jahren ohne Sachgrund befristet nach § 14 Abs. 2 TzBfG unter Ausschluss der in den Zusatzverträgen geregelten Zulagen und sonstigen Vergünstigungen sowie unter Vorgabe einer Leistungsverdichtung von ca. 20 %, wobei sie die in der Folgezeit geschlossene Dienstvereinbarung vom 27. Juli 2005, in Kraft getreten am 1. April 2004, beachtete.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger ungeachtet eines an ihn gerichteten Schreibens der Beklagten vom 20. Januar 2004 im Laufe des Jahres 2004 gegenüber der Beklagten seinen Wunsch auf Beschäftigung auf einer Vollzeitstelle geäußert hat; nähere Feststellungen dazu haben mangels verwertbaren Parteivortrages nicht getroffen werden können.

Mit Wirkung zum 1. Oktober 2005 wurden die Regelungen des BMT-G II durch die des TVöD (VKA) sowie durch den Überleitungstarifvertrag vom 13. September 2005 abgelöst.

Am 13. September 2006 kam der zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband Berlin (KAV Berlin) und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossene Zusatztarifvertrag Berliner St. (BSR) zustande, der am 1. Oktober 2006 in Kraft trat. Mit Wirkung zum 1. August 2006 wurde der Kläger als Arbeiter im Rahmen eines Vollzeitarbeitsverhältnisses (38,5 Wochenstunden) gemäß dem Arbeitsvertrag vom 19. Juli 2006 (unbefristet) weiterbeschäftigt. Auf der Grundlage der Dienstvereinbarung vom 18. Juli 2006 zahlte die Beklagte dem Kläger eine Zulage von 270,00 EUR (ab August 2006); dies wurde abgelöst durch die dem Straßen- und Grünflächenreinigern nach dem Zusatztarifvertrag vom 13. September 2006 für die Zeit ab April 2006 zustehende Gedingezulage (§§ 15 Ziff. 3, 29 Ziff. 3 Satz 3 und 4 ZTV BSR).

Im Hinblick auf diese Tarifeinigung vereinbarte die Beklagte mit den in der Zeit von November 2004 bis April 2005 neu eingestellten Reinigern die unbefristete Fortsetzung ihrer Arbeitsverträge.

Für den Monat Juni 2005 rechnete die Beklagte die Vergütung des Klägers mit 1.157,11 EUR brutto ab, was sich aus dem Monatstabellenloh...

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