Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegungslast der Sozialkasse

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Sozialkasse muss für jedes einzelne Kalenderjahr darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen für eine Beitragserhebung gegeben sind. Dies kann z.B. durch Zeugenbeweis erfolgen.

 

Normenkette

SokaSiG § 7; GG Art. 20 Abs. 3, Art. 9 Abs. 3, Art. 19 Abs. 1; ArbGG § 69 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 15.05.2018; Aktenzeichen 62 Ca 80824/17)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten zu 1) und zu 2) gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 15.05.2018 - 62 Ca 80824/17 - wird auf ihre - gesamtschuldnerisch zu tragenden - Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird für die Beklagten zu 1) und zu 2) zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um Sozialkassenbeiträge für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2011.

Der Kläger ist die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft, eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er hat nach den tariflichen Regelungen des Baugewerbes - nach näherer tarifvertraglicher Maßgabe im Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) - die Aufgabe, die Auszahlung der tariflichen Urlaubsvergütung an Arbeitnehmer der Bauwirtschaft zu sichern. Zur Finanzierung seiner Leistungen erhebt er Beiträge von Arbeitgebern im tariflichen Anwendungsbereich.

Die Beklagten zu 1) und zu 2) führen als Gesellschafter bürgerlichen Rechts einen Betrieb im Land Brandenburg, mit dem sie ausweislich des Briefbogens als Meisterbetrieb Bauleistungen aller Art und Sanierungen erbringen. Mit Schreiben vom 12.08.2013 teilten die Beklagten der Sozialkasse Bau mit, sie führten Abbruch- und Entkernungsarbeiten durch. Eine Prüfung der Agentur für Arbeit Cottbus vom 29.05.2013 ergab, dass nach deren Einschätzung im Gesamtbetrieb zu 90 % Entkernungen und Abbruch vorgenommen wurden.

Der Kläger hat erstinstanzlich Sozialkassenbeiträge für den Zeitraum von Dezember 2008 bis November 2013 geltend gemacht. Mit Mahnbescheid vom 06.03.2014, beiden Beklagten zugestellt am 13.03.2014 in dem zum erstinstanzlichen Hauptverfahren verbundenen Verfahren 61 Ca 60389/14, hat er dabei Mindestbeiträge für drei gewerbliche Arbeitnehmer für den Zeitraum von Januar 2011 bis September 2013 geltend gemacht. Mit Klageerweiterungsschriftsatz vom 25.09.2014, am 29.09.2014 bei Gericht eingegangen und den Beklagten zu 1) und zu 2) am 08.10.2014 zugestellt, hat der Kläger nach Mitteilung der Bruttolohnsummen sämtlicher bei den Beklagten beschäftigter Arbeitnehmer seine Klage u. a. für das Jahr 2011 dahingehend erweitert, dass seitdem Sozialkassenbeiträge für elf Arbeitnehmer für das Jahr 2011 begehrt werden. Im Verfahren haben erstinstanzlich Kammertermine am 24.07.2014 sowie - nach Beweisbeschluss vom 08.05.2015 - am 01.10.2015 stattgefunden. Nach Aufhebung eines auf den 14.01.2016 anberaumten weiteren Kammertermins aus dienstlichen Gründen hat das Arbeitsgericht den Parteien mit Schreiben vom 11.12.2015 mitgeteilt, ein neuer Termin werde von Amts wegen anberaumt. Auf den Terminsantrag des Klägers vom 08.07.2016 hat das Arbeitsgericht am 28.09.2016 mitgeteilt, das Verfahren werde im Hinblick auf die am 21.09.2016 ergangenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts über die Unwirksamkeit bestimmter Allgemeinverbindlicherklärungen des VTV nur auf Antrag der Parteien fortgesetzt. Mit Schriftsatz vom 06.06.2017 hat der Kläger sich zur Begründung seiner Beitragsansprüche auf die Regelungen des Gesetzes zur Sicherung des Sozialkassenverfahrens (SokaSiG) berufen und die Anberaumung eines Kammertermins beantragt, der am 15.03.2018 stattgefunden hat.

Der VTV ist über einen langen Zeitraum und auch im streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund mehrerer Allgemeinverbindlicherklärungen (AVE) für sämtliche seinem Geltungsbereich unterfallenden Arbeitgeber und Arbeitnehmer für allgemeinverbindlich erklärt worden. So sind der VTV vom 18.12.2009 (VTV 2010) durch AVE vom 25.06.2010 und der VTV vom 18.12.2009 in der Fassung vom 21.12.2011 (VTV 2012) durch AVE vom 03.05.2012 für allgemeinverbindlich erklärt worden.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat mit rechtskräftigem Beschluss vom 04. August 2015 (7 BVL 5007/14 und 7 BVL 5008/14) die Wirksamkeit der AVE des VTV für das Jahr 2006 festgestellt. Durch rechtskräftige Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichts vom 21.09.2016 (10 ABR 33/15 und 10 ABR 48/15) und vom 25.01.2017 (10 ABR 34/15 und 10 ABR 43/15) ist u.a. die Unwirksamkeit der AVE festgestellt worden, mit denen der VTV 2010 und der VTV 2012 für allgemeinverbindlich erklärt worden war.

Zur Sicherung der Sozialkassenverfahren ist nach den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 21.09.2016 ein Gesetzgebungsverfahren am 13.12.2016 durch das Einbringen des Gesetzentwurfs in den Bundestag von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD (BT-Drucks. 18/10631) eingeleitet worden. Die erste Lesun...

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