Entscheidungsstichwort (Thema)

Einseitige Reduzierung des Lohnes im Mutterschutz kein dauerhafter Charakter. Anspruch auf Mindestlohn bei Mutterschutzlohn und Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. Arbeitszeitreduzierung wegen Schwangerschaft als vertragliche Änderung der Arbeitszeit

 

Leitsatz (amtlich)

Eine unzulässige einseitige Reduzierung der Arbeitszeit und damit des Arbeitsentgelts ist keine dauerhafte Änderung der Arbeitszeit im Sinne des § 21 Abs. 4 MuSchG. Beim Mutterschutzlohn handelt es sich ebenso wie bei dem Zuschuss zum Mutterschaftsgeld um Entgeltfortzahlungstatbestände, die durch den gesetzlichen Mindestlohn mitgestaltet werden. Entsprechend gebietet es der Schutzzweck des § 3 Satz 1 MiLoG, diese Ansprüche in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns entsprechend zu sichern.

 

Normenkette

MuSchG §§ 18, 21 Abs. 4, § 20; MiLoG § 3 S. 1; ArbGG § 66 Abs. 1; BGB §§ 288, 307 Abs. 1, § 310 Abs. 4; ZPO § 92 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Potsdam (Entscheidung vom 13.07.2022; Aktenzeichen 2 Ca 163/22)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 13. Juli 2022 - 2 Ca 163/22 - teilweise abgeändert.

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.335,55 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Februar 2022 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.574,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Februar 2022 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu 82/100 und die Klägerin zu 18/100 zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über weiteren Mutterschutzlohn und Zuschuss zum Mutterschaftsgeld.

Die Klägerin ist seit 18.03.2019 bei der Beklagten als Reinigungskraft tätig. In dem Arbeitsvertrag vom 18.03.2019 ist unter anderem vereinbart:

"§ 3 Arbeitszeit

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt - je nach Bedarf des Arbeitgebers - ca. 10 bis 20 Stunden, nicht unwesentliche Abweichungen (sowohl nach unten als auch nach oben) können hierbei relevant sein.

Die Erbringung der Arbeitsleistung hat entsprechend der jeweiligen betrieblichen Regelung grundsätzlich an den Werktagung Montag bis einschließlich Samstag zu erfolgen. Der Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit, die Ausweitung der Arbeitszeit auf Mehrarbeit, Wechselschicht-/Nachtarbeit und Sonntags-/Feiertagsarbeit richten sich nach den jeweiligen betrieblichen Regelungen. Der Arbeitnehmer erklärt sich bereit Mehrarbeit, Wechselschicht-/Nachtarbeit und Sonntags-/Feiertagsarbeit zu leisten, soweit diese angeordnet und gesetzlich zulässig ist."

"§ 12 Ausschlussfristen (zz. § 23 RTV vom 28.06.2011)

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruches, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird."

Die Regelung der Ausschlussfristen entspricht der Regelung in dem für allgemeinverbindlich erklärten Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung (RTV Gebäudereinigung). Der Arbeitsvertrag nimmt unter anderem betreffend die Vergütung auf die jeweils geltenden tarifvertraglichen Regelungen Bezug (vgl. § 4, § 11 des Arbeitsvertrages).

Die Klägerin arbeitete gemäß den ihr von der Beklagten erteilten Abrechnungen im September 2020 221 Stunden, im Oktober 2020 226 Stunden und im November 2020 206,50 Stunden. Abgerechnet wurden im September 2.331,55 Euro, für den Oktober 2.384,30 Euro und für den November 2020 2.178,58 Euro, jeweils zuzüglich eines Fahrgeldes und im November 2020 zuzüglich eines Corona-Bonus.

Die Klägerin war ab dem 22.12.2020 schwanger. Der Geschäftsführer der Beklagten erklärte gegenüber der Klägerin per Chat am 05.02.2021: "Also nochmals Glückwunsch (falls es sich bestätigen sollte). ... Dann passt es ja ganz gut, dass A. nun nicht mehr ist. Wäre sonst ja sicher zu viel geworden. Wir können dann aber alles in Ruhe besprechen, wenn du sicher Bescheid weist. Schönes Wochenende". Die Klägerin antwortete "Vielen Dank" und wünschte ebenfalls ein schönes Wochenende. Am 09.02.2021 erklärte der Geschäftsführer "wie Freitag schon von mir angesprochen folgende Frage: Soll ich von den Januar Stunden einen Teil abziehen und auf Februar oder Februar/März verteilen damit die Lohnsteuer nicht so hoch ist. Im Ergebnis bekommst du so mehr. ..." und kurz darauf "Und, soll ich das so machen mit dem Verteilen der Stunden? Ab Februar fällt ja A weg, deshalb sind es jetzt auch weniger Stunden, so dass Verteilen für dich besser wäre." Die Klägerin antwortete "ok bitte das zu machen".

Aufgrund der Schwangerschaft bestand für die Klägerin für die Zeit vom 19...

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