Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufung gegen ein Zwischenurteil. nachträgliche Zulassung. anwaltliche Sorgfaltspflichten

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Rechtsanwalt verstößt nicht gegen anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er sich die Akte einer 10 Tage vor Fristablauf zur Post gegebenen Kündigungsschutzklage nach vier Wochen wieder vorlegen läßt.

 

Normenkette

KSchG § 5; TzBfG § 17

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 19.11.2008; Aktenzeichen 56 Ca 12576/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 06.10.2010; Aktenzeichen 7 AZR 569/09)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19.11.2008 – 56 Ca 12576/08 – abgeändert.

Die Klage wird nachträglich zugelassen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten u.a. um die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses auf Grund der im Arbeitsvertrag vom 15.12.2006 (Bl. 10/ 11 d. A.) vorgesehenen Befristung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit vom 01.01.2007 bis zum 31.05.2008 und in diesem Zusammenhang zunächst um die nachträgliche Zulassung der am 28.07.2008 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen und am 04.08.2008 zugestellten Klage.

Die Klägerin hat vorgetragen und durch anwaltliche und eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht, dass sie ihrem Prozessbevollmächtigten am 11.06.2008 einen Klageauftrag erteilt und dieser die Klage am 12.06.2008 diktiert und am 13.06.2008 unterschrieben habe, dass diese noch am gleichen Tage von der Bürovorsteherin in den Briefkasten geworfen worden sei und dass bei aufgrund anwaltlich verfügter Wiedervorlage der Akte am Freitag, dem 11.07.2008 festgestellt worden sei, dass noch keine Ladung eingegangen sei. Am darauf folgenden Montag, dem 14.07.2008, habe ihr Prozessbevollmächtigter bei einem Telefonanruf bei der Eingangsregistratur des Arbeitsgerichts erfahren, dass keine Klage eingegangen sei. Die Klage sei mangels Verschuldens an der Nichteinhaltung der Klagefrist nachträglich zuzulassen.

Die Beklagte hat gemeint, dass die Klägerin die Frist von § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht gewahrt habe. Der Klägervertreter habe sich eine kürzere Wiedervorlagefrist notieren müssen.

Mit Zwischenurteil vom 19.11.2008 – 56 Ca 12576/08 –, auf dessen Tatbestand (Bl. 62/ 63 d. A.) wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Berlin den Antrag auf nachträgliche Zulassung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die 3-Wochen-Frist für die Klageerhebung habe am Montag, dem 23.06.2008, geendet. Es könne unterstellt werden, dass die fristgerecht abgeschickte Klageschrift abhanden gekommen sei und hierfür ein Verschulden nicht vorliege. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe sich jedoch eine dem arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatz und der Klagefrist von § 4 KSchG, § 17 TzBfG entsprechende Wiedervorlagefrist von 3 Wochen notieren müssen, um ein etwaiges Abhandenkommen der Klageschrift möglichst frühzeitig zu bemerken. Diese Frist sei nicht unzumutbar, da jedenfalls beim Arbeitsgericht Berlin innerhalb von 10 bis 14 Tagen mit einem Ladungseingang zu rechnen sei, wie die Zustellung der vorliegenden Klage zeige. Bei Einwurf der Klageschrift in den Briefkasten am Freitag, dem 13.06.2008, kurz nach 12 Uhr habe man einen Zugang am Montag dem 16.06.2008 annehmen können. Bei einer Wiedervorlagefrist auf Montag, dem 07.07.2008, habe bis Freitag, den 11.07.2008, geklärt werden können, ob die Klageschrift das Arbeitsgericht Berlin erreicht habe. Die 2-Wochen-Frist des § 5 Abs. 3 KSchG habe dann an diesem Tage, und nicht erst am 14.07.2008 begonnen. Der Eingang der vorliegenden Klage am 28.07.2008 sei daher verspätet gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Zwischenurteils (Bl. 63 bis 67 d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses, der Klägerin am 26.01.2009 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 23.02.2009 eingegangene Berufung, die sie nach Fristverlängerung bis Montag, dem 27.04.2009 mit am 24.04.2009 eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin führt zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen aus, ihre Prozessbevollmächtigten, die die Klageschrift 10 Tage vor Ablauf der Klagefrist rechtzeitig und vollständig auf den Postweg gebracht hätten, treffe kein Verschulden am Unterbleiben dieser Briefbeförderung. Da sie bereits für hinreichend sichere Ausgangskontrollen sorgen müssten, was im vorliegenden Fall problemlos funktioniert habe, könnten sie nicht regelmäßig auch noch gehalten sein, den Eingang der Schriftsätze bei Gericht zu überwachen. Nur bei konkretem Anlass bzw. einem Zeitablauf, bei dem sich Zweifel am Eingang der Klageschrift geradezu aufdrängen müssten, könne von einer vermeidbaren Gleichgültigkeit ausgegangen werden. Das Arbeitsgericht überspanne die Sorgfaltsanforderungen der Prozessbevollmächtigten in einem arbeitsgerichtlichen Bestandsschutzverfahren deutlich, wenn es im Hinblick auf de...

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