Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbegründeter Eilantrag des Betriebsrats auf Unterlassung der Betriebsänderung bei unzureichenden Darlegungen zur Sicherung des Verhandlungsanspruchs über einen Interessenausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung einer Betriebsänderung dient nur der Sicherung seines Verhandlungsanspruchs für den Interessenausgleich, nicht losgelöst hiervon, der Untersagung der Betriebsänderung selbst.

2. Durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung können nur solche Maßnahmen des Arbeitgebers untersagt werden, die den Verhandlungsanspruch des Betriebsrats rechtlich oder faktisch in Frage stellen (hier verneint).

 

Normenkette

BetrVG §§ 111, 113, 112; ArbGG § 85 Abs. 1; ZPO §§ 935, 940

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 13.06.2014; Aktenzeichen 8 BVGa 8228/14)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 13. Juni 2014 - 8 BVGa 8228/14 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

1. Der Antragsstellende Betriebsrat begehrt zur Sicherung seines Verhandlungsanspruchs über einen Interessenausgleich den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der der Einsatz von 20 namentlich benannten Mitarbeitern, die die Arbeitgeberin im Rahmen einer geplanten Zusammenlegung ihrer beiden Berliner Betriebsstätten in S. und Alt-T. mit derzeit 323 Mitarbeitern ab dem 1.7.2014 an dem neuen Standort in Berlin-A. einsetzen will, untersagt werden soll.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 13. Juni 2014 ohne mündliche Verhandlung den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen diesen dem Betriebsrat am 17.06.2014 zugestellten Beschluss richtet sich seine Beschwerde, die er mit einem beim Landesarbeitsgericht am 17.06.2014 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und begründet hat. Der Betriebsrat hält den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung zur Sicherung seines Verhandlungsanspruchs über einen Interessenausgleich für erforderlich.

Der Betriebsrat beantragt, ohne mündliche Anhörung, hilfsweise unter Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen im Wege des Erlasses einer einstweiligen Verfügung,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichtes Berlin vom 13.05.2014 zum Az. 8 BVGa 8228/14 der Beteiligten zu 2 aufzugeben, es zu unterlassen, folgende Mitarbeiter am Standort "Am St. 16" in Berlin-A. auf Grundlage einer direktionsrechtlichen Weisung einzusetzen bzw. die Tätigkeit folgender Mitarbeiter an diesem Standort zu dulden, bis die Verhandlungen (im Rahmen eines möglichen Einigungsstellenverfahrens) über den Abschluss eines Interessenausgleichs durch Abschluss eines Interessenausgleichs oder im Rahmen der Verhandlungen in einer Einigungsstelle endgültig gescheitert sind: ..........

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde des Antragsstellers zurückzuweisen.

2. Die Beschwerde des Betriebsrats ist zulässig, indes unbegründet. Seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung konnte nicht entsprochen werden.

2.1 Die Beschwerde ist zulässig. Das als Beschwerde im Beschlussverfahren bezeichnete Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde gemäß § 85 Abs. 2, § 567 ZPO statthaft. Da das Arbeitsgericht ohne mündliche Verhandlung den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen hat, war gegen diese Entscheidung gemäß § 85 Abs. 2 ArbGG, § 567 ZPO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG 8. Auflage 2013, § 85 Rz. 48). Sie ist form- und fristgerecht gemäß § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt und begründet worden.

In Anbetracht der dem einstweiligen Verfügungsverfahren innewohnenden Eilbedürftigkeit, die durch den Antrag beider Seiten auf eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung unterstrichen wird, und der Einlegung der Beschwerde unmittelbar beim Landesarbeitsgericht, hat das Beschwerdegericht von einer Vorlage zur Prüfung einer Abhilfeentscheidung abgesehen (vgl. LAG Hamm Beschluss v. 20.09.2006 - 10 Ta 294/06 - in juris; Zöller ZPO § 572 Rz. 4). Die Durchführung des Nichtabhilfeverfahrens ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Beschwerdeentscheidung.

2.2 Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Betriebsrat steht im vorliegenden Fall der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen den von der Arbeitgeberin geplanten Einsatz von 20 Arbeitnehmern am neuen Standort nicht zu.

2.2.1 Ob dem Betriebsrat ein im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbarer Anspruch auf Unterlassung einer Betriebsänderung bis zum Abschluss der Verhandlungen über einen Interessenausgleich zusteht oder ob im Rahmen des § 111 BetrVG ein Unterlassungsanspruch bereits vom Grundsatz her nicht in Betracht kommt, ist umstritten. Zum Teil wird ein solcher Anspruch wegen der fehlenden gesetzlichen Regelung und unter Hinweis auf den Nachteilsausgleich in § 113 BetrVG verneint. Nach einer anderen Auffassung steht dem Betriebsrat ein Anspruch auf Unterlassung einer Betriebsänderung bis zum Zustandeko...

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