Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung eines Auskunftsantrags nach Umfang und Bedeutung der Sache. Ansatz von Hilfswerten nach den Stufen des § 9 BetrVG bei Wertfestlegung des Auskunftsanspruchs. Wert von zehntausend Euro im Eilverfahren wegen Vorenthaltung des Wirtschaftsausschusses

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Bewertung eines Auskunftsantrags sind alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Umfang sowie die - auch wirtschaftliche - Bedeutung der Sache und die Anzahl der betroffenen Belegschaftsmitglieder zu berücksichtigen. Dies kann im Ausgangspunkt dadurch geschehen, dass für den Streit über ein Auskunftsrecht als solches ein Hilfswert und für die Anzahl der betroffenen Personen für jede Stufe des § 9 BetrVG ein weiterer Hilfswert angesetzt werden.

Der sich danach ergebende Betrag kann dann nach der Bedeutung des konkreten Streits ermäßigt oder erhöht werden (vgl. hierzu LAG Berlin-Brandenburg 23. November 2018 - 26 Ta (Kost) 6082/18).

 

Normenkette

RVG §§ 33, 23; BetrVG § 106; RVG § 33 Abs. 9

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 22.06.2022; Aktenzeichen 44 BVGa 1436/22)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. Juni 2022 - 44 BVGa 1436/22 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen teilweise abgeändert und der Gegenstandswert auf 10.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten haben im Rahmen eines Eilverfahrens über die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Durchführung einer Regelungsabrede vom 15. März 2021 gestritten. In der im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens zustande gekommenen Regelungsabrede hatte sich der Arbeitgeber verpflichtet, dem Wirtschaftsausschuss regelmäßig bestimmte Unterlagen vorzulegen. Unter den Beteiligten bestand hier bereits Streit über die Frage, ob Wirtschaftsausschuss errichtet werden durfte. Über diese Fragen haben die Parteien in dem Verfahren 25 BV 13029/21 vor dem Arbeitsgericht Berlin gestritten.

Die Beschwerdeführer haben zunächst die Festsetzung eines Betrages in Höhe von 20.000 Euro angeregt. Nach einem Hinweis des Gerichts, dass es einen Betrag in Höhe von 10.000 Euro für angemessen halte, haben sie eine Festsetzung des Gegenstandswertes in Höhe von 50.000 Euro beantragt. Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert nach erneuter Anhörung schließlich auf 5.000 Euro festgesetzt und dabei eine Steigerung unter Berücksichtigung der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer abgelehnt, da es um ein Auskunftsverlangen gehe. Hiergegen wenden sich die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats mit der Beschwerde. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vertreten sie nun wieder die Auffassung, der Gegenstandswert sei auf 20.000 Euro festzusetzen angesichts der fast 200 Belegschaftsmitglieder.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet.

Die mit dem Eilantrag verfolgte Durchsetzung von Auskünften stellt eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit dar, die nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu bewerten ist.

1) Bei der Bewertung eines Auskunftsantrags sind alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Umfang sowie die - auch wirtschaftliche - Bedeutung der Sache und die Anzahl der betroffenen Belegschaftsmitglieder zu berücksichtigen. Dies kann im Ausgangspunkt dadurch geschehen, dass für den Streit über ein Auskunftsrecht als solches ein Hilfswert und für die Anzahl der betroffenen Personen für jede Stufe des § 9 BetrVG ein weiterer Hilfswert angesetzt werden. Der sich danach ergebende Betrag kann dann nach der Bedeutung des konkreten Streits ermäßigt oder erhöht werden (vgl. hierzu LAG Berlin-Brandenburg 23. November 2018 - 26 Ta (Kost) 6082/18).

2) Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich der mit der Beschwerde angegriffene Wertansatz als zu niedrig. Bei der Auseinandersetzung der Beteiligten geht es um die Frage, ob die Arbeitgeberin dem Wirtschaftsausschuss wesentliche in der Regelungsabrede vom 15. März 2021 vereinbarte Auskünfte vorenthalten hat. Dies rechtfertigt bei der vorliegenden Belegschaftsgröße einen Wertansatz in Höhe von 10.000 Euro. Vom Ausgang des Streits konnten alle Beschäftigten des Betriebes direkt oder indirekt betroffen sein. Dem Betriebsrat ging es darum, vor dem Hintergrund einer befürchteten Betriebsänderung frühzeitig Einfluss auf sich aus der wirtschaftlichen Lage ergebende unternehmerische Entscheidungen nehmen und diese nachvollziehen zu können. Der Umstand, dass es sich hier um einen Eilantrag handelt, hatte keinen entscheidenden Einfluss auf den Gegenstandswert. Mit Erteilung der Auskunft wäre die Hauptsache vorweggenommen worden. III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 33 Abs. 9 RVG. Angesichts des teilweisen Erfolgs der Beschwerde wird die angefallene Gebühr auf ½ ermäßigt.

IV.

Die Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Haufe-Index 15498773

FA 2023, 117

FA 2023, 28

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