Entscheidungsstichwort (Thema)

Lage der Betriebsratssitzungen. Grober Verstoß

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gem. § 30 Satz 2 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Festlegung der zeitlichen Lage von Betriebsratssitzungen auf die betrieblichen Notwendigkeiten Rücksicht zu nehmen.

2. Dieser Regelung ist kein damit korrespondierender allgemeiner „Unterlassungsanspruch” des Arbeitgebers zugeordnet; bei Verstößen des Betriebsrats regeln sich die Folgen nach § 23 Abs. 3 BetrVG

 

Normenkette

BetrVG § 30 S. 2, §§ 30, 23 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 05.11.2009; Aktenzeichen 33 BV 12192/09)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 05.11.2009 – 33 BV 12192/09 – wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Arbeitgeber und Betriebsrat streiten darüber, ob der Betriebsrat verpflichtet ist oder sein soll, seine regelmäßigen Sitzungen nicht vor 11:30 Uhr stattfinden zu lassen.

Der Arbeitgeber betreibt eine Seniorenresidenz und beschäftigt im fraglichen Betrieb ca. 65 Arbeitnehmer; der aus fünf Personen gebildete Betriebsrat hält seine Sitzungen regelmäßig jede zweite Woche in voller Länge einer Schicht von 7.00 Uhr bis 15.18 Uhr ab. Hierin sieht der Arbeitgeber eine Verletzung der Pflicht des Betriebsrats, bei der Anberaumung von Sitzungen auf betriebliche Notwendigkeiten Rücksicht zu nehmen. Denn in dieser Zeit finde die Grundpflege der Bewohner statt, mithin die zentrale Tätigkeit des Arbeitgebers. Ersatzkräfte für diese Zeit seien kostenintensiv und wiesen nicht die gleiche Qualifikation wie die dann abwesenden Betriebsratsmitglieder auf. Demgegenüber ist der Betriebsrat der Auffassung, ganztätige Sitzungen alle 2 Wochen seien erforderlich und auch effektiv, die Anberaumung einer (kürzeren) Sitzung wöchentlich nach Absolvierung selbst einer vierstündigen Schicht sei schwierig.

Von einer näheren Darstellung des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird unter Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung abgesehen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat den auf Verpflichtung des Betriebsrats, seine Sitzungen nicht vor 11:30 Uhr zu beginnen, gerichteten Hauptantrag als unbegründeten Globalantrag zurückgewiesen; es seien jedenfalls Fallgestaltungen denkbar, in denen der Arbeitgeber den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Vorrang der betrieblichen Notwendigkeiten nicht habe. Auch der auf Feststellung der entsprechenden Verpflichtung des Betriebsrats gerichtete Hilfsantrag zu 2) sei unbegründet. „Betriebliche Notwendigkeiten” im Sinne von § 30 Satz 2 BetrVG stünden einer Betriebsratssitzung in der Zeit von 7.00 Uhr bis 15:00 Uhr nicht entgegen. Unter „betrieblichen Notwendigkeiten” im Sinne von § 30 Satz 2 BetrVG seien nur solche Gründe zu sehen, die zwingend Vorrang vor den Interessen des Betriebsrats hätten. Solche Umstände lägen im Streitfall nicht vor. Der Arbeitgeber könne entsprechende Dienstpläne aufstellen, um die Versorgung der Bewohner sicher zu stellen. So sei es in den letzten vier Jahren im Übrigen auch geschehen. Das Gesetz nehme diesbezüglich entstehende Mehrkosten in Kauf. Die Argumentation des Betriebsrates, dass ganztätige Sitzungen alle 2 Wochen effektiver seien als kürzere wöchentliche Sitzungen, sei jedenfalls nachvollziehbar. Sicher sei richtig, dass die fachliche Expertise der Betriebsratsmitglieder durch Ersatzkräfte nicht aufgewogen werden könne; dies stelle aber kein unerlässliches Erfordernis für die betriebliche Tätigkeit des Arbeitgebers dar. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlussgründe (Bl. 65 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gegen diesen am 16.11.2009 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Arbeitgebers, die er mit einem beim Landesarbeitsgericht am 10. Dezember 2009 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem beim Landesarbeitsgericht am 8. Januar 2010 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Der Arbeitgeber rügt, das Arbeitsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass es ihm bei seinem Antrag nur um die regelmäßigen „Sitzungen” des Betriebsrates gehe. In einzelnen Fällen, etwa bei eiligen Angelegenheiten, sei es dem Betriebsrat auch nach Auffassung des Arbeitgebers unbenommen, eine entsprechend frühere Sitzung stattfinden zu lassen. Dementsprechend handele es sich bei dem Hauptantrag nicht um einen „Globalantrag”. Im Übrigen folge aus § 30 Abs. 2 BetrVG ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat, wenn dieser auf die „betrieblichen Notwendigkeiten” nicht Rücksicht nehme. Das Arbeitsgericht habe den Begriff der „betrieblichen Notwendigkeiten” zu weit ausgelegt. In einem Vergleich mit anderen Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes, die ebenfalls auf „betriebliche Notwendigkeiten” verwiesen, handele es sich hier um den Bereich von „einfacheren” betrieblichen Notwendigkeiten. Mithin müsse eine Interessenabwägung stattfinden zwischen den Interessen des Arbeitgebers auf Berücksichtigung der betrieblichen Notwendigkeiten und denjenigen des Betrie...

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