Entscheidungsstichwort (Thema)

Quotelung der Kosten im arbeitsgerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren. Akzessorietät zwischen Kostengrundentscheidung und Kostenfestsetzungsbeschluss. Feststellung der Kostenpflicht dem Grunde nach von Amts wegen

 

Leitsatz (redaktionell)

Fehlt es an einer wirksamen Kostengrundentscheidung, kann aufgrund der bestehenden Akzessorietät kein wirksamer Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen werden. Denn das Kostenfestsetzungsverfahren ist ein weitgehend verselbständigtes Nachverfahren, das aber von der Kostengrundentscheidung abhängig ist.

 

Normenkette

ZPO § 97 Abs. 1, §§ 103-104, 308 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 09.11.2021; Aktenzeichen 42 Ca 2702/17)

LAG Berlin-Brandenburg (Aktenzeichen 6 Sa 1407/18)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 01.06.2023; Aktenzeichen 9 AZB 1/23)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 9. November 2021 - 42 Ca 2702/17 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 9. November 2021 - 42 Ca 2702/17 wird zur Klarstellung aufgehoben.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beklagten zu 1) bis 3) wenden sich mit der Beschwerde gegen eine Quotelung der Kosten durch das Arbeitsgericht im Kostenfestsetzungsverfahren. Sie begehren die Festsetzung ihrer Kosten allein auf Grundlage eines Beschlusses des Landesarbeitsgerichts vom 9. Oktober 2018, in dem das Landesarbeitsgericht nach Rücknahme der durch den Kläger eingelegten Berufung die den Beklagten entstandenen Kosten dem Kläger auferlegt hat.

Die Parteien haben erstinstanzlich über Vergütungsansprüche, Reisekosten eine Verzugspauschale und die Wirksamkeit einer durch den Beklagten zu 1) ausgesprochenen Kündigung sowie - widerklagend (Beklagter zu 1) - über Schadensersatzansprüche gestritten.

Sowohl der Beklagte zu 1) als auch der Kläger haben gegen das Urteil Berufung eingelegt. Der Kläger hat seine Berufung mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2018 zurückgenommen. Das Landesarbeitsgericht hat daraufhin mit Beschluss vom selben Tag dem Kläger die durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten auferlegt. Der Beklagten zu 1) hat die Frist für die Begründung seiner Berufung versäumt. Das Landesarbeitsgericht hat seine Berufung mit Beschluss vom 20. Dezember 2018 als unzulässig verworfen und ihm die Kosten seiner Berufung auferlegt. Beide Kostenentscheidungen sind durch die Parteien nicht angegriffen worden.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 12. März 2019 Kostenausgleichung nach § 106 ZPO mit Zugrundelegung eines Streitwerts in Höhe von 113.489,57 Euro beantragt. Mit einem am 26. März 2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz "vom 12. März 2019" hat der Kläger erneut Kostenausgleichung beantragt, nun unter Zugrundelegung des inzwischen auf 64.040,13 Euro festgesetzten Gegenstandswerts.

Mit Schriftsatz vom 26. Juni 2020 haben die Beklagten zu 1), zu 2) und zu 3) "unter Bezugnahme auf den Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 9. Oktober 2018" beantragt, ihre Kosten in vollem Umfang gegen den Kläger festzusetzen. Für eine Kostenquotelung fehle es an einer Kostengrundentscheidung.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 7. Januar 2021 zunächst "klargestellt", dass sich seine Berufung auch gegen die Beklagte zu 2) gerichtet habe. Mit Schriftsatz vom 1. September 2021 hat er dann das Gegenteil vorgetragen.

Für die Gerichtskosten hat das Landesarbeitsgericht den Streitwert mit Beschluss vom 27. September 2021 auf 113.489,57 Euro festgesetzt.

Das Arbeitsgericht (Rechtspflegerin) hat mit Beschluss vom 9. November 2021 eine Kostenausgleichung vorgenommen. Es hat dabei mangels einheitlicher Kostengrundentscheidung eine Auslegung der getrennten Kostenentscheidungen des Landesarbeitsgerichts vorgenommen und eine aus seiner Sicht zutreffende Verteilung unter den Parteien durchgeführt.

Die Beklagten zu 1) bis 3) haben Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegt. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 9. Oktober 2018 rechtfertigt eine Festsetzung zugunsten der Beklagten nicht. Für den mit der Beschwerde angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss gibt es jedoch auch keine die Verteilung der Kosten rechtfertigende Kostengrundentscheidung, was zur klarstellenden Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses führt.

1) Grundlage der Kostenfestsetzung ist ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel (§ 103 Abs. 1 ZPO). Der im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 ZPO zu treffende Kostenfestsetzungsbeschluss füllt lediglich die Kostengrundentscheidung hinsichtlich der Höhe des zu erstattenden Kostenbetrags aus. Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist deshalb sowohl hinsichtlich seiner Entstehung als auch seines Bestandes von der Kostengrundentscheidung abhängig. Fehlt es an einer wirksamen Kostengrundentscheidung, bewirkt die Akzessorietät, dass der Kostenfestsetzungsbeschluss von Beginn an keine rechtlichen Wirkungen entfal...

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