Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Berücksichtigung materieller Rechtsfragen im Kostenfestsetzungsverfahren. Wirksamkeit eines Anwaltsvertrages nicht vom Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen

 

Leitsatz (amtlich)

1. In dem Kostenfestsetzungsverfahren wird nach einer gerichtlichen Kostengrundentscheidung über die Erstattungsfähigkeit von Verfahrenskosten nach prozessualen Maßstäben und nach Maßgabe des Kostenrechts entschieden (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 226/08, zu II 1 mwN). Materiell-rechtliche Einwendungen und Einreden gegen den prozessualen Kostenerstattungsanspruch - hier die angebliche Nichtigkeit des Anwaltsvertrages nach den §§ 134 BGB, 45 BRAO - können grundsätzlich nicht berücksichtigt werden; mit diesen ist der Kostenschuldner auf die Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO oder auf einen Rechtsbehelf nach § 775 Nr. 4, 5 ZPO zu verweisen.

2. Auch aus Gründen der Verfahrensökonomie kann nicht ausnahmsweise der Einwand, der zwischen dem erstattungsberechtigten Gegner und seinem Prozessbevollmächtigten geschlossene Anwaltsvertrag sei wegen Verstoßes gegen §§ 45 BRAO, 134 BGB nichtig, Berücksichtigung finden.

Es handelt sich um keine einfache Rechtsfrage, hinsichtlich deren Beurteilung kein Zweifel besteht und die daher zur Klärung im Kostenfestsetzungsverfahren geeignet ist (vgl. BGH 22. November 2006 - IV ZB 18/06, Rn. 12).

 

Normenkette

ZPO § 103; BRAO § 45; ZPO § 767; BGB § 134; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Potsdam (Entscheidung vom 03.06.2020; Aktenzeichen 7 Ca 300/14)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Potsdam vom 3. Juni 2020 - 7 Ca 300/14 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen - teilweise abgeändert und der durch den Kläger hinsichtlich der Parteiauslagen an die Beklagte zu erstattende Betrag auf 233 Euro reduziert.

2. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beklagte hat mit Schriftsätzen vom 12. April 2017 (Bl. 1577 dA) und 4. Oktober 2017 (Bl. 1606 dA) Kostenfestsetzung beantragt, nachdem das Bundesarbeitsgericht dem Kläger im Urteil vom 2. März 2017 (Bl. 1548 dA) die Kosten der Revision auferlegt hatte. Sie bringt Anwaltskosten in Höhe von 2.629 Euro in Ansatz sowie Parteiauslagen in Höhe von 233 Euro.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 3. Juni 2020 die von dem Kläger an die Beklagte zu erstattenden Anwaltskosten auf 2.629 Euro nebst Zinsen und an die Beklagte zu erstattenden Parteiauslagen auf 257,50 Euro nebst Zinsen festgesetzt.

Der Beschwerdeführer macht mit seiner Beschwerde geltend, die durch das Arbeitsgericht im Rahmen der Kostenfestsetzung zugunsten der Beklagten erfolgte Berücksichtigung der Anwaltsgebühren habe nicht erfolgen dürfen. Dem stehe der Umstand entgegen, dass der Beklagtenvertreter zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Beklagten und daher nach § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO von der Prozessvertretung ausgeschlossen gewesen sei. Dies habe zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrags zwischen der Beklagten und ihrem Prozessbevollmächtigten geführt. Ein ggf. auch zur reinen Dienstleistung verpflichteter und berechtigter Rechtsanwalt dürfe nicht durch seine Interessen und Verpflichtungen im Rahmen einer Tätigkeit für die von ihm vertretene Partei im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit gehindert oder potentiell beeinflusst sein. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten betreibe sämtliche arbeitsrechtlichen Vorgänge für die Beklagte. Die Geschäftsführung der Beklagten habe den Prozessbevollmächtigten der Beklagten als Aufsichtsratsvorsitzenden regelmäßig über den konkreten Stand des Verfahrens unterrichtet. Entscheidend sei die Einwirkungsmöglichkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden auf die Geschäftsführung, ggf. auch zur Beauftragung von Rechtsanwälten.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, maßgeblich sei auf die Möglichkeit einer richtungsgebenden Einflussnahme durch die Geschäftsführung abzustellen, welche aber bei den Aufsichtsratsmitgliedern ausgeschlossen sei. Als Aufsichtsratsvorsitzender sei der Beschwerdeführer bereits nicht beruflich für die Beklagte tätig. Es fehle an einer auf Dauer angelegten und der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienenden Tätigkeit. Für seine Teilnahme an vier Aufsichtsratssitzungen und die sonstige Tätigkeit für den Aufsichtsrat im Jahr erhalte er gerade einmal 5.000 Euro Aufwandsentschädigung. Dadurch könne keine Lebensgrundlage geschaffen werden. Ihr Prozessbevollmächtigter sei in seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender nicht in der Rechtssache M. tätig gewesen. Die wesentlichen Entscheidungen habe die Geschäftsführung getroffen. Der Aufsichtsrat sei nur insoweit mit der Sache befasst gewesen, als ihm durch die Geschäftsführung regelmäßig in den Aufsichtsratssitzungen berichtet worden sei. Entscheidungen habe der Aufsichtsrat insoweit nicht getroffen. Insbesondere sei aber auch eine Interessenkollision im konkreten Fall nicht gegeben. Es gebe keine Weisungs- und Richtli...

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