Entscheidungsstichwort (Thema)

Smiley auf Wahlzettel verstößt mangels Identifikation nicht gegen Grundsatz der geheimen Wahl. Beteiligungsrecht des Aufsichtsrates bei Wahlanfechtungsklagen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Aufsichtsrat ist stets an einem Wahlanfechtungsverfahren beteiligt (vgl. BAG 17. Mai 2017 - 7 ABR 22/15, Rn. 21).

2. Es verstößt jedenfalls bei Auswirkungen auf das Wahlergebnis gegen den Anspruch des Wahlbewerbers auf Wahlgleichheit, wenn die für ihn gültig abgegebenen Stimmen nicht sämtlich als gültig bewertet werden (BVerfG 12. Dezember 1991 - 2 BvR 562/91, Rn. 33). Das ist insbesondere bei einer unzutreffenden Deutung des Wählerwillens der Fall.

3. Ein kleiner Smiley in der oberen linken Ecke eines Blattes, auf den der Wahlzettel aufgedruckt ist, bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass die Wahl nur zum Scherz erfolgt sein könnte.

4. Nach dem Grundsatz der geheimen Wahl darf die Stimmabgabe des Wählers keinem anderen bekannt werden. Dies dient dem Zweck, den Wähler vor jeglichem sozialen Druck zu schützen. Es ist dem Wähler zB. versagt, seinen Wahlzettel in einer Weise zu kennzeichnen, die eine Identifizierung ermöglicht (Maunz/Dürig/Klein, 89. EL Oktober 2019, GG Art. 38 Rn. 110, 111).

5. Daher kann ein Stimmzettel gem. § 13 Abs. 3 WODrittelbG auch dann ungültig sein, wenn er besondere Merkmale oder Zusätze enthält. Diese Regelung dient der Gewährleistung der geheimen Wahl, indem verhindert werden soll, dass durch entsprechende Merkmale auf den Stimmzetteln Rückschlüsse auf die Person des Wahlberechtigten möglich werden.

6. Allein der Umstand, dass sich jemand später darauf berufen kann, er sei es gewesen, der den Wahlzettel mit einem Merkmal versehen habe, genügt für eine Identifizierbarkeit nicht, da der Wahrheitsgehalt der Aussage nicht nachprüfbar ist. Dass der Smiley hier einen Schluss auf eine bestimmte Person zugelassen hätte, ist nicht erkennbar.

7. Anhaltspunkte für eine Manipulation waren weder vorgetragen noch ersichtlich, etwa in dem Sinne, dass Wähler unter Druck gesetzt oder anderweitig veranlasst worden wären, ihre Stimme einer bestimmten Person zu geben, und der Smiley dazu hätte dienen sollen, den entsprechenden Nachweis zu führen.

 

Normenkette

DrittelbG § 11; WODrittelbG § 13; ArbGG § 83 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 28.11.2019; Aktenzeichen 27 BV 7306/19)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 28.04.2021; Aktenzeichen 7 ABR 20/20)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis zu 5) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 28. November 2019 - 27 BV 7306/19 - abgeändert und die Wahl des Aufsichtsrats vom 6. März 2019 dahingehend berichtigt, dass anstelle der Beteiligten zu 6) und 7) die Beteiligten zu Ziffern 1) und 2) Arbeitnehmervertreter bzw. stellvertretende Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sind.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Zusammensetzung der Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat der Beteiligten zu 8).

Am 6. März 2019 fand die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder bei der Beteiligten zu 8) statt. Im Rahmen der Auszählung der Stimmen wurde ein Stimmzettel für ungültig erklärt, der einen Smiley in der oberen linken Ecke aufwies. Auf dem Stimmzettel war ua. der Name des Beteiligten zu 1) angekreuzt worden. Zwischen den Beteiligten zu 1) bis 5) einerseits und den Beteiligten zu 6) und 7) andererseits ist streitig, ob der Stimmzettel mit Recht für ungültig erklärt worden ist. Auf einem weiteren Stimmzettel sind drei Kreuze in dem Kreis für den Beteiligten zu 1) eingetragen gewesen. Dieser Stimmzettel ist bei der Auszählung als gültig gewertet worden.

Auf die Bewerber entfielen danach folgende Stimmen:

D., Carla

240 Stimmen

L., Jean

229 Stimmen

K., Olaf, Bet. zu 6)

221 Stimmen

S., Andreas, Bet. zu 1)

221 Stimmen

M., Katrin

195 Stimmen

Die Beteiligten zu 2) und 7) waren die jeweiligen Stellvertreter der Beteiligten zu 1) und zu 6). Angesichts der Stimmengleichheit entschied das Los, und zwar zugunsten des Beteiligten zu 6). Wäre der als ungültig angesehene Stimmzettel berücksichtigt worden, wären nicht die Beteiligten zu 6) und 7), sondern die Beteiligten zu 1) und 2) Aufsichtsratsmitglied und stellvertretendes Aufsichtsratsmitglied geworden.

Die Antragsteller haben die Ansicht vertreten, die Wahl des Beteiligten zu 6) und damit auch der Beteiligten zu 7) sei unwirksam. Der mit dem Smiley versehene Stimmzettel hätte nicht als ungültig angesehen werden dürfen.

Die Beteiligten zu 1) bis 5) haben beantragt,

1. die Wahl der Beteiligten zu 6) und zu 7) in den Aufsichtsrat der Beteiligten zu 8) vom 6./7. März 2019 für unwirksam zu erklären,

2. festzustellen, dass der Beteiligte zu 1) als Arbeitnehmervertreter und dessen Ersatzmitglied, die Beteiligte zu 2), in den Aufsichtsrat der Beteiligten zu 8) gewählt wurden.

Die Beteiligten zu 6) und zu 7) haben beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Die Anträge seien bereits unzulässig. Eine Anfechtung habe erst nach Ablauf einer Frist von zwei Wochen nach der Veröffentlichung im Bu...

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