Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg für Streitigkeiten betreffend die Heranziehung soloselbstständiger Bauunternehmerinnen und Bauunternehmer zur Ausbildungskostenumlage nach dem VTV

 

Leitsatz (amtlich)

Für Streitigkeiten über die Heranziehung soloselbstständiger Bauunternehmerinnen und Bauunternehmer zur Ausbildungskostenumlage nach § 17 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig.

 

Normenkette

ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 6; GWB § 87 S. 2; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe § 17

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 15.12.2016; Aktenzeichen 62 Ca 81819/16)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. Dezember 2016 - 62 Ca 81819/16 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten vor dem Arbeitsgericht Berlin über die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung des Mindestbeitrages für die Berufsausbildung nach § 17 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) für den Zeitraum von April bis September 2015 in Höhe von 450,00 Euro und in diesem Zusammenhang über die Zulässigkeit des eingeschlagenen Rechtswegs.

Der Kläger ist die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse des Baugewerbes (ULAK), eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit Rechtsfähigkeit aufgrund staatlicher Verleihung. Er erbringt Leistungen im Urlaubs- und Berufsbildungsverfahren und zieht als gemeinsame Einzugsstelle der Sozialkassen des Baugewerbes sowohl seine eigenen Beiträge als auch die Beiträge zu den übrigen Sozialkassen ein. Der Beklagte unterhält einen Tiefbaubetrieb als sog. Soloselbstständiger. Er beschäftigt weder Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer, noch Auszubildende.

Nach § 17 des für allgemeinverbindlich erklärten VTV vom 3. Mai 2013 in der Fassung vom 10. Dezember 2014 haben zur Aufbringung der Mittel für die tarifvertraglich festgelegten Leistungen im Berufsbildungsverfahren seit April 2015 auch Baubetriebe, die keine gewerblichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigten, einen jährlichen Mindestbeitrag für den Zeitraum von Oktober bis September des Folgejahres in Höhe von 900,00 Euro zu zahlen. Der erstmalig für den Zeitraum von April bis September 2015 zu zahlende Mindestbeitrag beträgt 450,00 Euro.

Der Beklagte hat die Zulässigkeit des eingeschlagenen Rechtswegs gerügt und die Auffassung vertreten, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei nicht gegeben, da er kein Arbeitgeber i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 ArbGG sei, sondern von dem Kläger lediglich wie ein Arbeitgeber oder als potentieller Arbeitgeber in Anspruch genommen werde. Es handele sich auch nicht um einen sog. sic-non-Fall. Ausschließlich zuständig seien nach § 87 Satz 2 GWB die Kartellgerichte, da die streitgegenständliche Ausbildungskostenumlage auf eine Anbieterpreisverteuerung ziele und deshalb wie eine Preisabsprache soloselbstständiger Bauunternehmerinnen und Bauunternehmer wirke. Soweit Soloselbstständige betroffen seien, unterliege der VTV auch nicht der kartellrechtlichen Privilegierung von Tarifverträgen. Denn unionsrechtlich seien nur Tarifverträge der Sozialpartner von der Kartellkontrolle befreit, die diese in ihrer Eigenschaft als Sozialpartner geschlossen haben. Hinsichtlich der Einbeziehung der Soloselbstständigen in den VTV sei dies jedoch weder auf der Arbeitgeberseite, noch auf der Gewerkschaftsseite der Fall.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 6 ArbGG seien auch Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber, die keine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen, dies aber könnten. § 87 Satz 2 GWB greife nicht. Mit der Einbeziehung von Soloselbstständigen in die Ausbildungskostenumlage hätten die Tarifvertragsparteien weder ihre Regelungsbefugnis nach dem Tarifvertragsgesetz überschritten, noch sei die Einbeziehung in wettbewerbsregelnder Absicht erfolgt. § 17 VTV diene der Förderung der Berufsausbildung in der Bauwirtschaft. Das Berufsbildungsverfahren entlaste die Ausbildungsbetriebe erheblich. Es schaffe einen Anreiz auszubilden und ermögliche es vielen Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhabern, gerade auch solchen, die keine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen, überhaupt erst, Auszubildende einzustellen. Außerdem hätten die Tarifvertragsparteien die Beiträge der Soloselbstständigen bewusst so festgesetzt, dass den Soloselbstständigen ihr Wettbewerbsvorteil gegenüber den Betrieben, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen, erhalten bleibe.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien bezüglich des Rechtswegs wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 12. Oktober 2016 (Bl. 17 - 20 d. A.) sowie den Schriftsatz des Klägers vom 30. November 2016 (Bl. 27 - 29 d. A.) nebst Anlagen Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 15...

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