Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim zeitlichen Auseinanderfallen von Arbeitsvertragsschluß und Beschäftigungsaufnahme. Begriff der Einstellung in § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Unter Einstellung i.S. von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Abschluß des Arbeitsvertrages zwischen Arbeitgeber und Bewerber zu verstehen.

2. Besteht beim Arbeitsvertragsschluß der Betriebsrat noch nicht, hat er sich aber vor der zeitlich nachfolgenden Beschäftigungsaufnahme konstituiert, muß; der Arbeitgeber deshalb nicht seine Zustimmung zur Beschäftigung des Arbeitnehmers einholen.

 

Normenkette

BetrVG § 101 S. 1, § 99 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 25.06.1986; Aktenzeichen 29 BV 1/86)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den am 25. Juni 1986 verkündeten Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin – 29 BV 1/86 – wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird hinsichtlich der Entscheidung über den Antrag zu 1) zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller ist der aus 5 Mitgliedern bestehende Betriebsrat, der sich im Betrieb der Antragsgegnerin am 30.10.1985 konstituiert hat. Die Antragsgegnerin betreibt ein Dienstleistungsgewerbe. Ihre Mitarbeiter werden zur Wartung und Reinigung von Industrieanlagen zu Berliner Firmen entsandt; sie arbeiten in der Nachtschicht, wenn die Produktion nicht läuft.

Zwischen den Beteiligten besteht in dreifacher Hinsicht Streit:

Die Antragsgegnerin schloß mit dem Mitarbeiter … am 14.10.1985 einen Arbeitsvertrag, nach dem dieser im Dezember die Tätigkeit in ihrem Betrieb aufnehmen sollte. Weder vor Vertragsschluß noch vor Aufnahme der Beschäftigung suchte sie die Zustimmung des Antragstellers zu erhalten.

Der Antragsteller bat die Antragsgegnerin mehrfach vergeblich, sie möge seinen Mitgliedern freien Zugang zu den Betriebsräumen der Auftraggeber verschaffen, damit er die Arbeitsplatzbedingungen der einzelnen Mitarbeiter überprüfen und so seinen Überwachungspflichten nachkommen könne. Die Antragsgegnerin war nur dazu bereit, die Mitglieder des Antragstellers wechselnd auf Arbeitsplätzen in den einzelnen Kundenfirmen einzusetzen, um ihnen hierbei die Möglichkeit der Arbeitsplatzüberprüfung zu geben.

Schließlich besteht Streit über ein vom Antragsteller in Anspruch genommenes Mitbestimmungsrecht bei der Zuweisung der einzelnen Mitarbeiter zu den Betriebsstätten der Auftraggeber.

Der Antragsteller hat beantragt,

  1. die Antragsgegnerin zu verpflichten,

    die Einstellung und Beschäftigung des Arbeitnehmers aufzuheben;

  2. allen Betriebsratsmitgliedern Zutritt zu den Betriebsräumen der im folgenden genannten Firmen zu verschaffen, in denen zu dem Betrieb der Antragsgegnerin gehörende Arbeitnehmer beschäftigt sind:
  3. festzustellen,

    daß es sich bei der Zuweisung von im Betrieb der Antragsgegnerin beschäftigten Arbeitnehmer zu Betriebsstätten unterschiedlicher Auftraggeber um Versetzungen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes handelt.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht Berlin hat durch Beschluß vom 25. Juni 1986 die Anträge zurückgewiesen mit der Begründung, die Antragsgegnerin habe das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers aus § 99 Abs. 1 BetrVG bei der Einstellung des Mitarbeiters nicht verletzt, da es bei einem zeitlichen Auseinanderfallen von Vertragsschluß und tatsächlicher Beschäftigung nur auf den Tag des schriftlichen Vertrages ankomme, an dem der Antragsteller sich aber noch nicht konstituiert gehabt habe. Aus §§ 80, 89 BetrVG erwachse dem Antragsteller nicht das Recht, Zutritt zu den Betriebsräumen der Auftraggeber der Antragsgegnerin zu verlangen. Da diese dort nicht das Hausrecht und damit auch nicht die rechtliche Möglichkeit habe, dem Wunsch des Antragstellers nachzukommen. Der Feststellungsantrag schließlich sei nicht begründet, da die Zuweisung von Reinigungsarbeiten an den Industrieanlagen der Kundenfirmen keine Versetzung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG darstelle. Dieser Wartungs- und Reinigungsarbeit sei wesensimmanent, daß sie je nach Auftragslage an den verschiedenen Orten auszuführen sei.

Gegen diesen dem Antragsteller am 28. August 1986 zugestellten Beschluß richtet sich seine mit dem am 11. September 1986 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz eingelegte Beschwerde, die er mit dem am 10. Oktober 1986 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Der Antragsteller führt aus:

Bei der Einstellung des Mitarbeiters … sei das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers aus § 99 Abs. 1 BetrVG verletzt, da unter dem in dieser Vorschrift verwendeten Begriff der Einstellung die Eingliederung in den Betrieb und damit ein Zeitpunkt zu verstehen sei, der zeitlich nach seiner Konstituierung liege. Das lasse sich auch aus der herrschenden Rechtsansicht schließen, daß ein im voraus geschlossener Arbeitsvertrag wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats dennoch wirksam bleibe, weil der Betriebsrat lediglich die Eingliederung in den Betrieb bzw. die damit verbundene tatsächliche Beschä...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge