rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Weiterbeschäftigungsurteil. freigestelltes Betriebsratsmitglied. Festsetzung eines Zwangsgeldes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Urteil, durch das ein Arbeitgeber ohne eine konkrete Bezeichnung der Tätigkeit lediglich zur „Weiterbeschäftigung” des Arbeitnehmers verurteilt wird, ist jedenfalls dann zu unbestimmt und deshalb kein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel, wenn weder Tatbestand noch Entscheidungsgründe des Urteils hinreichende Auskunft über die Art der Beschäftigung geben.

2. Die Festsetzung eines Zwangsgeldes im Hinblick auf ein solches „Weiterbeschäftigungsurteil” kommt deshalb nicht in Betracht, wenn der Arbeitnehmer ausweislich des Urteilstatbestandes als Betriebsratsmitglied von der Arbeit freigestellt ist.

 

Normenkette

ZPO § 888; BetrVG § 38

 

Gründe

1.

Der Gläubiger, der als stellvertretender Vorsitzender des im Betrieb der Schuldnerin gebildeten Betriebsrates von der Arbeit freigestellt ist, betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10.09.1992, in dem die Schuldnerin verurteilt worden ist, den Gläubiger bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen. Da dem Gläubiger von der Schuldnerin am 10.09.1992 die Aufnahme seiner Arbeit verwehrt worden war, verlangt er die Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung seines Beschäftigungsanspruchs.

Durch einen Beschluß vom 12.11.1992 hat das Arbeitsgericht Berlin gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,– DM festgesetzt und gleichzeitig bestimmt, daß die Schuldnerin den Verfall des Zwangsgeldes durch die Weiterbeschäftigung des Klägers abwenden könne. Wegen der Einzelheiten dieses Beschlusses wird auf die Gründe desselben Bezug genommen.

Gegen diesen der Schuldnerin am 23.11.1992 zugestellten Beschluß hat sie mit einem am 07.12.1992 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Die Schuldnerin beantragt,

den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes zurückzuweisen.

2.

Die gemäß § 793 Abs. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde, die fristgerecht im Sinne von § 577 Abs. 2 ZPO eingelegt worden ist, hat Erfolg. Der Antrag des Gläubigers auf Festsetzung eines Zwangsgeldes ist unbegründet. Denn der Urteilsausspruch zu II, wonach die Schuldnerin den Gläubiger „weiterzubeschäftigen” hat, ist zu unbestimmt und deshalb kein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel.

2.1

Der Urteilsausspruch zu II läßt in seiner allgemeinen Form nicht erkennen, welche Tätigkeiten die Schuldnerin dem Gläubiger zuzuweisen hätte. Auch in Verbindung mit den Entscheidungsgründen, die zur näheren Konkretisierung eines unbestimmten Urteilsausspruchs herangezogen werden können, wird nicht deutlich, in welcher Form die Schuldnerin den Gläubiger weiterbeschäftigen bzw. welche Arbeiten sie ihm zuweisen soll. Auch der Tatbestand des Urteils vom 10.09.1992 gibt darüber keinen Aufschluß.

2.2

Ausweislich des Tatbestandes des Urteils vom 10.09.1992 war der Gläubiger als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender in vollem Umfang von der Arbeit freigestellt und hat deshalb lediglich die Aufgaben eines Betriebsratsmitgliedes erfüllt. Da der Betriebsrat seinerseits Inhalt und Ausmaß der von ihm zu verrichtenden Tätigkeit autonom bestimmt, kann die Schuldnerin dem Gläubiger insoweit keine Betriebsratstätigkeit zuweisen bzw. ihn nicht mit Betriebsratsaufgaben beschäftigen. Eine entsprechende Auslegung des Urteilsausspruchs zu II muß deshalb von vornherein ausscheiden.

2.3

Der Urteilsausspruch zu II kann auch nicht in dem Sinne ausgelegt werden, daß die Schuldnerin dem Gläubiger den Zutritt zum Betrieb – zur Sicherung seiner Betriebsratstätigkeit – zu gestatten hätte. Ein solcher Entscheidungsausspruch hätte lediglich im Beschlußverfahren gemäß § 2 a ArbGG ergehen dürfen. Mangels näherer Anhaltspunkte in dieser Richtung kann nicht davon ausgegangen werden, daß das Arbeitsgericht die Notwendigkeit eines solchen Beschlußverfahrens verkannt hat und die Schuldnerin durch den Urteilsausspruch zu II hätte verpflichten wollen, dem Gläubiger den Zutritt zum Betrieb zum Zwecke der Ausführung seiner Betriebsratstätigkeit zu gestatten.

2.4

Schließlich kann der Urteilsausspruch zu II auch nicht in dem Sinne ausgelegt werden, daß die Schuldnerin zur „Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses” und infolgedessen zur „Freistellung” des Gläubigers gemäß § 38 BetrVG verpflichtet worden wäre. Einmal läßt das Urteil des Arbeitsgerichts vom 10.09.1992 auch unter Berücksichtigung seiner Entscheidungsgründe nicht erkennen, daß eine solche Verpflichtung der Schuldnerin ausgesprochen worden wäre, zum anderen ist auch allgemein anerkannt, daß der vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Beschluß vom 27.02.1985 zuerkannte „allgemeine Beschäftigungsanspruch” (vgl. BAG AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) nicht zur – auflösend bedingten – Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses führt, sondern l...

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