Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialauswahl. Betriebsbezug

 

Leitsatz (redaktionell)

Die nach § 1 Abs. 3 KSchG vorgeschriebene Sozialauswahl ist grundsätzlich auf den Betrieb beschränkt. Zu einer Sozialauswahl unter Berücksichtigung sonstiger Filialen des Betriebs ist der Arbeitgeber regelmäßig nicht verpflichtet.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2-3; BetrVG § 102 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Urteil vom 27.10.2003; Aktenzeichen 10 Ca 298/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.09.2005; Aktenzeichen 2 AZR 36/05)

 

Tenor

I.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim (HD) vom 27.10.2003 – 10 Ca 298/03 – abgeändert:

Die Klage wird in den Hauptanträgen abgewiesen.

Auf den Hilfsantrag des Klägers wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger EUR 595,21 brutto nebst 5 % Zinsen über EZB-Basiszinssatz zu zahlen seit 11.08.2003.

Hinsichtlich des weiteren Hilfsantrages wird die Klage abgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

III.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in erster Linie über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten mit Schreiben vom 22.04.2003 ausgesprochenen, dem Kläger am 28.04.2003 zugegangenen betriebsbedingten Kündigung zum 31.05.2003. Hilfsweise, für den Fall der Rechtswirksamkeit der Kündigung, beansprucht der Kläger eine tarifliche Sonderzahlung sowie Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG.

Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen, welches bundesweit Handel mit Unterhaltungselektronik, sog. weißer Ware, Computern sowie Artikeln der Tele- und Bürokommunikation, Foto und dergleichen betreibt und zu diesem Zweck mehr als 90 Verkaufsfilialen errichtet hat.

Der Kläger, geboren am 04.06.1976, war seit dem 01.09.1993 – zuletzt nach näherer Maßgabe eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 24.07.1996, ABl. 79 ff – bei der Beklagten – bzw. ihrer Rechtsvorgängerin – in der Filiale H.-P. (Filiale 232) beschäftigt. Als Abteilungsleiter Tonträger und stellvertretender Marktleiter bezog der Kläger zuletzt ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von ca. Euro 2.700,00.

Bei der Beklagten sind Regionalbetriebsräte gebildet. Mit dem u. a. für die Filiale 232 zuständigen Betriebsrat für die Region S. und S… schloß die Beklagte am 13.02.2003 eine Vereinbarung ab, die u. a. einen Interessenausgleich sowie personelle Auswahlrichtlinien zum Gegenstand hat (vgl. Vor.A. Bl. 10 ff). Hiernach ist geregelt, dass sämtliche in einer Anlage aufgeführten Filialen, darunter auch die Beschäftigungsfiliale des Klägers, zu „reinen Abverkaufsstellen umgestaltet” werden sollten. Hierzu (vgl. B § 1 der Vereinbarung vom 13.02.2003) ist u. a. näher ausgeführt:

” 1.

Alle in der Anlage 1 aufgeführten Filialen werden zu reinen Abverkaufsstellen umgestaltet, und zwar voraussichtlich beginnend zu den dort jeweils genannten Zeitpunkten. Die Parteien sind sich dabei einig, dass eine Verschiebung der dort genannten Zeitpunkte von bis zu 4 Monaten keine wesentliche Abweichung darstellt. Angelieferte Ware wird zukünftig weitestgehend direkt vom Lkw oder aus dem Lager unausgepackt auf Paletten in den Markt gefahren. Kunden müssen sich die Ware überwiegend direkt von der Palette/aus den Regalen entnehmen und zur Kasse befördern. Es findet nur noch eine eingeschränkte Kundenberatung/Serviceleistung in den einzelnen Filialen statt. Zur Durchführung dieser Maßnahme wird das bisherige Warensortiment an die neuen Verhältnisse angepasst.

2.

Aufgrund dieser Umgestaltung wird in einer durchschnittlichen Filiale nur noch ein Marktleiter sowie 9 Mitarbeiter beschäftigt. Allen diesen Mitarbeitern obliegt … die Kassentätigkeiten, die Pflege und das Nachfüllen der Waren, die Annahme von Kundengeräten … sowie Lagertätigkeiten. Zusammen mit dem Marktleiter sind diese 9 Mitarbeiter notwendig, um das Funktionieren der Abverkaufsstelle innerhalb der täglichen Öffnungszeit zu gewährleisten. Diese Tätigkeit ist im Verhältnis zu den bisherigen im Betrieb bestehenden Arbeitsplätzen neu. … Alle Arbeitnehmer – mit Ausnahme des Marktleiters – werden deshalb gekündigt. 9 Arbeitnehmer erhalten nach den nachstehenden Regelungen keine Beendigungskündigung, sondern eine Änderungskündigung…

C.) Auswahlrichtlinie

§ 1 Auswahlkriterien

1.

Die Auswahlrichtlinie ist nur für die Auswahl der Mitarbeiter anzuwenden, denen im Zuge der Umgestaltung einer Filiale zur reinen Abverkaufsstelle die in diesem Zusammenhang neu zu bildenden Stellen angeboten werden.

2.

Vergleichbar sind dabei alle bislang in der Filiale tätigen Arbeitnehmer, …

3.

Die Parteien vereinbaren, dass die Auswahl der neu zu besetzenden Arbeitsplätze nach den folgenden Maßgaben erfolgt: …”

Der Kläger gehörte nach den Auswahlrichtlinien der Vereinbarung vom 13.02.2003 nicht zu demjenigen Personenkreis, demgegenüber lediglich die Änderungskündigung in Betracht kam. Deshalb wurde dem Kläger gekündigt im Rahmen des Ziels eines Personalbestandes von nur noch 13 Filialmitarbeitern einschließlich des Marktleiters.

Das Arbeitsgericht hat sich der vom Kläger vertretenen Auffassun...

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