Entscheidungsstichwort (Thema)

betriebsbedingte Beendigungskündigung. Umwandlung eines Fachmarkts in eine Abverkaufsstelle

 

Leitsatz (redaktionell)

Es ist eine anzuerkennende gestaltende Unternehmerentscheidung, die eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen kann, wenn ein Arbeitgeber Fachfilialen mit intensiver Kundenberatung zu reinen Abverkaufsstellen mit geringem Personalbestand umgestaltet, in denen die Ware vom Kunden selbst zu entnehmen und zur Kasse zu befördern ist und eine an individuellen Kundenwünschen orientierte Beratung nur noch im Rahmen der erheblich reduzierten Belegschaft erfolgt, soweit es die übrigen Aufgaben gerade zulassen.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Urteil vom 27.10.2003; Aktenzeichen 10 Ca 302/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.09.2005; Aktenzeichen 2 AZR 117/05)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 27.10.2003 – Az.: 10 Ca 302/03 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer mit Schreiben vom 19.04.2003 gegenüber dem Kläger ausgesprochenen ordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum 31.07.2003.

Die Beklagte betreibt als Einzelhandelsunternehmen mit mehr als 90 Verkaufsfilialen bundesweit Handel mit Unterhaltungselektronik, Computern, weißer Ware sowie Artikeln der Tele- und Bürokommunikation und dergleichen.

Der 1974 geborene verheiratete Kläger, der zwei unterhaltsberechtigte Kinder hat, war bei der Beklagten seit 27.10.1997 zuletzt als Lagerverwalter bei einem Bruttogehalt von durchschnittlich EUR 1.950,00 in der Filiale D. H. -C. (im folgenden: DHC) in H. beschäftigt.

Bei der Beklagten sind Regionalbetriebsräte gebildet. Mit dem auch für die Filiale H. -DHC zuständigen Betriebsrat für die Region S. und S. schloss die Beklagte am 13.02.2003 eine Vereinbarung ab, die u.a. einen Interessenausgleich sowie personelle Auswahlrichtlinien zum Gegenstand hat (vgl. Bl. 9 ff. d. Vorakte). Hiernach ist geregelt, dass sämtliche in einer Anlage aufgeführten Filialen, darunter auch die Beschäftigungsfiliale des Klägers, zu „reinen Abverkaufsstellen umgestaltet” werden sollten. Hierzu ist u.a. näher ausgeführt:

„B) Interessenausgleich

§ 1 Betriebsänderung

  1. Alle in der Anlage 1 aufgeführten Filialen werden zu reinen Abverkaufsstellen umgestaltet, und zwar voraussichtlich beginnend zu den dort jeweils genannten Zeitpunkten. Die Parteien sind sich dabei einig, dass eine Verschiebung der dort genannten Zeitpunkte von bis zu 4 (vier) Monaten keine wesentliche Abweichung darstellt. Angelieferte Ware wird zukünftig weitestgehend direkt vom LKW oder aus dem Lager unausgepackt auf Paletten in den Markt gefahren. Kunden müssen sich die Ware überwiegend direkt von der Palette/aus den Regalen entnehmen und zur Kasse befördern. Es findet nur noch eine eingeschränkte Kundenberatung/Serviceleistung in den einzelnen Filialen statt. Zur Durchführung dieser Maßnahme wird das bisherige Warensortiment an die neuen Verhältnisse angepaßt.
  2. Aufgrund dieser Umgestaltung wird in einer durchschnittlichen Filiale nur noch ein Marktleiter sowie 9 Mitarbeiter beschäftigt. Allen diesen Mitarbeitern obliegt je nach Bedarf die Kassentätigkeit, die Pflege und das Nachfüllen der Waren, die Annahme von Kundengeräten im Rahmen der Gewährleistung bzw. der Kulanz sowie Lagertätigkeiten. Zusammen mit dem Marktleiter sind diese 9 Mitarbeiter notwendig, um das Funktionieren der Abverkaufsstelle innerhalb der täglichen Öffnungszeit zu gewährleisten. Diese Tätigkeit ist im Verhältnis zu den bisherigen im Betrieb bestehenden Arbeitsplätzen neu. Eine Versetzung im Rahmen des

    arbeitsvertraglichen Direktionsrechts ist deshalb nicht möglich. Alle Arbeitnehmer – mit Ausnahme des Marktleiters – werden deshalb gekündigt. 9 Arbeitnehmer erhalten nach den nachstehenden Regelungen keine Beendigungskündigung, sondern eine Änderungskündigung ….

C.) Auswahlrichtlinie

§ 1 Auswahlkriterien

  1. Die Auswahlrichtlinie ist nur für die Auswahl der Mitarbeiter anzuwenden, denen im Zuge der Umgestaltung einer Filiale zur reinen Abverkaufsstelle die in diesem Zusammenhang zu bildende Stellen angeboten werden.
  2. Vergleichbar sind dabei alle bislang in der Filiale tätigen Arbeitnehmer, ….
  3. Die Parteien vereinbaren, dass die Auswahl der neu zu besetzenden Arbeitsplätze nach den folgenden Maßgaben erfolgt:

    …„

Die Beklagte hat beschlossen, die Filiale DHC mit 13 Filialmitarbeitern einschließlich des Marktleiters zu besetzen. Der Kläger gehörte nach den Auswahlrichtlinien der Vereinbarung vom 13.02.2003 nicht zu demjenigen Personenkreis, demgegenüber lediglich eine Änderungskündigung in Betracht kam. Ihm wurde das mit Datum vom 19.04.2003 verfaßte Kündigungsschreiben zum 31.07.2003 zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt, aber jedenfalls innerhalb von drei Wochen vor Erhebung der Kündigungsschutzklage am 08.05.2003 übergeben. Vor Aushändigung der Kündigung...

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