Entscheidungsstichwort (Thema)

Angebot einer Sozialabfindung im Kündigungsschreiben von weniger als 0,5 Monatsverdiensten bei Verzicht auf Klageerhebung. Auslegung eines Abfindungsangebots. Unterschreitung der Berechnung nach § 1a KSchG

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Arbeitgeber kann im Fall der betriebsbedingten Kündigung das Angebot einer geringeren Abfindung als nach § 1a KSchG vorgesehen mit dem Junktim des Verzichts auf eine Klageerhebung verbinden. Er muss nur für den Arbeitnehmer erkennbar verdeutlichen, dass er bewusst ein von der gesetzlichen Regelung abweichendes Abfindungsangebot unterbreitet. Entscheidend ist, ob nach Auslegung der Willenserklärung des Arbeitgebers nach § 1a KSchG vorgegangen werden sollte oder eine abweichende vertragliche Abfindungsvereinbarung angeboten wurde.

 

Normenkette

KSchG § 1a; BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 24.11.2005; Aktenzeichen 6 Ca 6330/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.12.2007; Aktenzeichen 2 AZR 663/06)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 24.11.2005 – 6 Ca 6330/05 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte nach § 1 a KSchG zur Zahlung einer weiteren Sozialabfindung verpflichtet ist.

Der am 07.12.1964 geborene Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit 02.11.1983 in deren Betrieb F. in der Abteilung Lager beschäftigt. Das Bruttomonatsgehalt des Klägers belief sich zuletzt auf EUR 2.414,50. Der Kläger war Mitglied des im Betrieb Fellbach errichteten Betriebsrats.

Im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen schloss die Beklagte am 24.11.2004 mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan. Gegenstand der Betriebsänderung war u.a. die Verlagerung der bislang in F. geführten Produktion nach A.. Diese Maßnahme hatte für 36 Arbeitnehmer, darunter die in der Abteilung Logistik (Logistik, Versand und Lager) tätigen Arbeitnehmer eine Verlegung des Arbeitsorts von F. nach A. zur Folge. Gegenüber allen diesen Mitarbeitern sprach die Beklagte Änderungskündigungen aus, verbunden mit dem Angebot, in die neue Betriebsstätte nach A. zu gleichen Arbeitsbedingungen zu wechseln. In Ziff. 3.1 des Sozialplans vereinbarte die Beklagte mit dem Betriebsrat, dass Mitarbeiter, gegenüber denen eine Änderungskündigung ausgesprochen wurde, keine Abfindung erhalten sollten. Nachdem der Betriebsrat jedoch geltend machte, es sei für die meisten Arbeitnehmer unzumutbar, nach A. zu wechseln, erklärte sich die Beklagte bereit, für die betroffenen Mitarbeiter eine Sozialabfindung in Höhe von insgesamt EUR 335.000,00 zur Verfügung zu stellen. In einer Protokollnotiz vom 24.11.2004 vereinbarten die Betriebsparteien folgende Regelung:

„Die Firma wird den zu kündigenden Mitarbeitern in der Kündigungserklärung entsprechend § 1 a KSchG bei Verstreichenlassen der Klagefrist und der Nichtannahme der geänderten Arbeitsbedingungen eine Abfindung zusagen. Die Frist zur Erklärung über die Nichtannahme der angebotenen geänderten Arbeitsbedingungen beträgt drei Wochen ab Zugang der Kündigung. Die anzubietende Abfindung bemisst sich wie folgt:

Die Abfindung des einzelnen Mitarbeiters errechnet sich nach seiner persönlichen Punktzahl multipliziert mit dem Wert eines Punktes. Der Wert eines Punktes beträgt EUR 51,02.

Die persönliche Punktezahl wird entsprechend den Bestimmungen im Sozialplan vom 24.11.2004 ermittelt.”

Mit Schreiben vom 26.11.2004 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine ordentliche Änderungskündigung zum 31.05.2005 aus. Das Kündigungsschreiben hat folgenden Wortlaut:

„Sehr geehrter Herr S.,

hiermit kündigen wir Ihr Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 31. Mai 2005 und bieten Ihnen ab 01. Juni 2005 eine entsprechende Position an der neuen Betriebsstätte der R.F. GmbH in A. zu den gleichen Arbeitsbedingungen und Konditionen an. Im Übrigen verweisen wir auf den geschlossenen Interessenausgleich und Sozialplan der R.F. GmbH vom 24. November 2004.

Bitte geben Sie uns innerhalb der nächsten drei Wochen Bescheid, ob Sie das Angebot der geänderten Arbeitsbedingungen annehmen. Wir sagen Ihnen bei Verstreichen lassen der Klagefrist und Nicht-Annahme der geänderten Arbeitsbedingungen eine Abfindung zu. Die Frist zur Erklärung über die Nicht-Annahme der angebotenen geänderten Arbeitsbedingungen beträgt drei Wochen ab Zugang der Kündigung. Die anzubietende Abfindung bemisst sich wie folgt:

Die Abfindung des einzelnen Mitarbeiters errechnet sich nach seiner persönlichen Punktzahl multipliziert mit dem Wert eines Punktes. Der Wert eines Punktes beträgt 51,02 Euro. Ihre persönliche Punktzahl wurde entsprechend den Bestimmungen im Sozialplan vom 24. November 2004 mit 257 Punkten ermittelt.

Freundliche Grüße”

Mit Schreiben vom 13.12.2004 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er das Angebot, nach A. zu wechseln, nicht annehme. Eine Kündigungsschutzklage legte der Kläger nicht ein.

Mit der Lohnabrechnung Mai ...

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