Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifvertrag/Betriebsvereinbarung und Bestimmtheitsgrundsatz Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Anordnung von Mehrarbeit Überstunden oder Kurzarbeit. Personalrat. Mitbestimmung. Einführung von Kurzarbeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Dem Personalrat steht hinsichtlich der Frage der Einführung von Kurzarbeit ein Mitbestimmungsrecht zu (im Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 03.12.2001 – 6 P 12.00; gegen BAG, Urteil vom 18.10.1994 – 1 AZR 503/93).

2. Eine Dienstvereinbarung, die dem Arbeitgeber eine einseitige Befugnis zur Anordnung von Kurzarbeit einräumt, ist nicht unwirksam, wenn sie Verfahrens- und Verteilungsmodalitäten regelt und dadurch das Mitbestimmungsrecht des Personalrates ausreichend gewahrt wird.

 

Normenkette

BGB § 615; BPersVG §§ 73, 75 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 21.10.2004; Aktenzeichen 9 Ca 745/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 10.10.2006; Aktenzeichen 1 AZR 811/05)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart – Kammern Aalen – vom 21.10.2004 – 9 Ca 745/03 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit der Anordnung von Kurzarbeit durch die Beklagte im Zeitraum Oktober bis Dezember 2003 und daraus resultierende Differenzvergütungsansprüche aus Annahmeverzug.

Am 20.04.2001 schloss die Beklagte mit der Gewerkschaft IG Metall mit Wirkung ab 01.08.2001 einen Haustarifvertrag (Bl. 10 ff. der erstinstanzlichen Akte), in dem unter anderem geregelt ist:

„§ 7 Regelmäßige Arbeitszeit

7.1 Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt 38,5 Stunden.

7.4 Die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kann gleichmäßig oder ungleichmäßig auf Werktage von Montag bis Freitag verteilt werden.

Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit soll im Durchschnitt eines Kalenderjahres am Ende des Kalenderjahres erreicht werden. Die Übertragung von positiven oder negativen Salden ist zulässig, soweit Entsprechendes in einer Dienstvereinbarung geregelt wird.

7.1.17.4.1 Die Lage und Verteilung der Arbeitszeit sowie die Gleitzeitregelung wird durch eine Dienstvereinbarung geregelt.”

Mit Wirkung vom 01.05.2002 erhielt der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag (Bl. 7 ff. der erstinstanzlichen Akte) unter anderem folgenden Wortlaut:

„1. Tätigkeit

Herr D. wird als leitender Beauftragter des Vorstands für Widerspruchsangelegenheiten tätig und ist in dieser Funktion Mitglied der Widerspruchsausschüsse der V.. Diese Stabstelle ist direkt dem Vorstand unterstellt.

2. Bezüge

2.1/2.2

Die Tätigkeit von Herrn D. ist auf der Basis einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in Entgeltgruppe F 2 des Haustarifvertrags vom 20.04.2001 eingruppiert.

8. Vertragsdauer und Beendigung

8.1

Die arbeitgeberseitige ordentliche Kündigung einschließlich der Änderungskündigung ist ausgeschlossen.

9. Allgemeine Bestimmungen

9.1

Die Bestimmungen des oder der Haustarifverträge gelten in ihrer jeweiligen gültigen Fassung insoweit, als dieser Arbeitsvertrag nichts anderes regelt. Sollte künftig ein anderer Tarifvertrag für die Kasse verbindlich sein, findet dieser auch im Rahmen des Arbeitsverhältnisses Anwendung, soweit dieser Arbeitsvertrag nichts anderes bestimmt.

Beendet die B. den Haustarifvertrag, ohne einen Nachfolgetarifvertrag zu verhandeln oder ohne an ein anderes Tarifwerk gemäß TVG gebunden zu sein, finden die Bestimmungen der Tarifverträge für die Metallindustrie Nord-Württemberg/Nord-Baden in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung, soweit in diesem Arbeitsvertrag keine Regelung getroffen ist.

9.2

Allgemeine betriebliche Richtlinien, Dienstvereinbarungen und Bestimmungen sowie insbesondere die Arbeitsordnung sind, soweit sie diesen Arbeitsvertrag nicht widersprechen, in ihrer jeweils gültigen Fassung wesentlicher Bestandteil desselben.

9.3

Änderungen und Ergänzungen sowie mündliche Nebenabreden zu diesem Vertrag bedürfen der Schriftform, um Gültigkeit zu erlangen.

Sollten einzelne der vorstehenden Bestimmungen aus irgendeinem Grund rechtsunwirksam sein oder werden, so wird hierdurch die Rechtsverbindlichkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt.”

Am 08.07.2003 beschlossen die Beklagte und die Gewerkschaft IG Metall einen „Änderungs- und Beschäftigungssicherungstarifvertrag” (Bl. 18 f. der erinstanzlichen Akte, im Folgenden: „ÄBTV”), in dem es unter anderem heißt:

„3. Die neue Ziffer 3.1 lautet wie folgt:

Mit Auslaufen der beantragten Kurzarbeit wird die tarifliche Arbeitszeit von 38,5 auf 38 Wochenstunden unter Beibehaltung der geltenden Tarifeinkommen reduziert.

4. Auf Grund dieser Vereinbarung sichert die B. zu, dass bis zum 31.12.2004 keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden.

5. Des weiteren sichert die B. zu, dass die Auszubildenden des Abschlussjahrgangs 2004 übernommen werden. Es sei denn, dringende im Verhalten der Auszubildenden liegende Gründe würden dagegen sprechen.

6. Es wird eine Dienstvereinb...

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