Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorrang des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vor dem Betriebsrentengesetz bei betrieblicher Hinterbliebenenversorgung. Betriebliche Versorgungszusage auch für eingetragene Lebenspartner. Hinterbliebene als Begünstigte einer Versorgungszusage zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Statthaftigkeit der Festlegung einer Altersgrenze bei Hinterbliebenenversorgung (Spätehenklausel)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Versorgungszusage in einer Betriebsvereinbarung, die der Witwe/dem Witwer einer Arbeitnehmerin/eines Arbeitnehmers eine Witwen-/Witwerrente zusagt, begründet auch im Falle des Bestehens einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) zwischen der verstorbenen Arbeitnehmerin/dem verstorbenen Arbeitnehmer und der Hinterbliebenen/dem Hinterbliebenen dieser Arbeitnehmerin/dieses Arbeitnehmers einen Anspruch gegen den Versorgungsträger, sofern die übrigen Anspruchsvoraussetzungen in der Versorgungszusage vorliegen.

2. Bei einer Hinterbliebenenversorgungszusage handelt es sich um einen Vertrag zugunsten Dritter gem. § 328 BGB, und zwar zu Gunsten des Hinterbliebenen (wie BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 294/11).

3. Der Ausschluss eines Anspruchs auf eine Hinterbliebenenversorgung für den Fall, dass die Ehe zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Ehegatten nach Vollendung des 62. Lebensjahres des Arbeitnehmers geschlossen wird, bewirkt eine unmittelbare Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen seines Alters iSd. §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 und § 7 AGG (mit BAG 4. August 2015 - 3 AZR 137/13 und gegen LAG Baden-Württemberg 9. März 2017 - 17 Sa 7/17).

4. Die Festsetzung einer Altersgrenze bei einer Hinterbliebenenversorgungszusage fällt unter die Rechtfertigungsfallgruppe des § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG. Die Frage nach der Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters ist danach an den Voraussetzungen des § 10 AGG zu messen (entgegen BAG 4. August 2015 - 3 AZR 137/13).

5. Bestimmt eine Hinterbliebenenversorgungszusage, dass kein Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente besteht, wenn die Ehe nach Vollendung des 62. Lebensjahres des Arbeitnehmers geschlossen wird, stellt die Vollendung des 62. Lebensjahres - anders als das Ende des Arbeitsverhältnisses oder der Eintritt des Versorgungsfalls beim Arbeitnehmer selbst - regelmäßig keine Zäsur dar, die es rechtfertigen könnte, in den Bestimmungen über die Hinterbliebenenversorgung die Lebensgestaltung des Arbeitnehmers zu Gunsten der Begrenzung des mit der Versorgungszusage für den Arbeitgeber verbundenen Risikos und Aufwands unberücksichtigt zu lassen. Die Möglichkeit für den versorgungsberechtigten Arbeitnehmer, gemäß seiner Versorgungszusage betriebliche Altersrente ungekürzt bereits nach Vollendung seines 62. Lebensjahres in Anspruch nehmen zu können, macht das Datum der Vollendung des 62. Lebensjahres nicht zu einem Zeitpunkt, zu dem typischerweise ein Arbeitsverhältnis sein Ende findet (entgegen LAG Baden-Württemberg 9. März 2017 - 17 Sa 7/17).

 

Normenkette

BGB § 328; AGG §§ 1-2, 3 Abs. 1, §§ 7, 19; ArbGG § 69 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 31.01.2017; Aktenzeichen 1 Ca 739/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.01.2019; Aktenzeichen 3 AZR 560/17)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten Ziffer 1 und Beklagten Ziffer 2 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 31.01.2017 - Az: 1 Ca 739/16 - wird auf ihre Kosten, die sie gesamtschuldnerisch zu tragen haben, zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird sowohl für die Beklagte Ziffer 1 wie auch für die Beklagte Ziffer 2 zugelassen.
 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von den Beklagten die Zahlung einer monatlich laufenden Hinterbliebenenrente beginnend ab Oktober 2015.

Der 1948 geborene Kläger war mit dem 1943 geborenen früheren Mitarbeiter der Beklagten zu 1, Herrn T., seit 2013 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft verbunden. Das am 01.01.1974 begründete Arbeitsverhältnis von Herrn T. bei der Beklagten zu 1 endete kurz nach Vollendung des 62. Lebensjahrs von Herrn T. mit Ablauf des 31.05.2005. Danach befand sich Herr T. im Ruhestand und bezog ab Juni 2005 bis zu seinem Tod am 07.09.2015 von der Beklagten zu 1 eine betriebliche Altersrente in Höhe von zuletzt 1.836,50 EUR und von der Beklagten zu 2, dem Pensionsfonds der Beklagten zu 1, in Höhe von zuletzt 2.147,00 EUR brutto.

Der Zahlung der Betriebsrente an Herrn T. lagen die Bestimmungen der Betriebsvereinbarung zwischen der Beklagten zu 1 und dem gebildeten Gesamtbetriebsrat der Beklagten zu 1 "Versorgungswerk der I. " vom 16.12.1992" idF v. 15.12.1994 (VW) zugrunde. Diese enthält insbesondere folgende Regelungen:

"§ 7 Altersrente

Ein Mitarbeiter erhält eine Altersrente wenn er

1. das 62. Lebensjahr vollendet hat

und

2. aus den Diensten der I. ausscheidet.

(...)

§ 10 Witwen-/Witwerrente

(1) Die Witwe/der Witwer eines Mitarbeiters oder Rentners erhält eine Witwen-/Witwerrente in Höhe von 60 % der Rente, die der Rentner zuletzt erhielt oder die der Mitarbeiter erhalten hätte, wenn er zum Zeitpunkt des ...

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