Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer Spätehenklausel in der betrieblichen Altersversorgung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Ausschluss von Hinterbliebenenversorgung durch eine Spätehenklausel führt nicht zu einer unmittelbaren Benachteiligung des Arbeitnehmers.

2. Eine Spätehenklausel, die an das als Regelaltersgrenze für die Betriebsrente definierte Lebensalter des Arbeitnehmers anknüpft, ist zulässig.

 

Normenkette

AGG §§ 1, 3 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 10 Sätze 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 27.09.2016; Aktenzeichen 3 Ca 2789/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.01.2019; Aktenzeichen 3 AZR 293/17)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 27.09.2016, Az. 3 Ca 2789/16 abgeändert:

    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  2. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Spätehenklausel für Witwenrente in den Regelungen der betrieblichen Altersversorgung der Beklagten.

Der am 00.00.1936 geborene Kläger war bis 31.12.1993 bei der Beklagten zu 1 beschäftigt. Gem. einer Zusage der Beklagten zu 1 vom 17.01.1994 (ABl. 5 f. der arbeitsgerichtlichen Akte Anlage K1) erhielt der Kläger aufgrund seines Ausscheidens im Rahmen des Programms "Gleitender Ruhestand" vorgezogene Altersrente. Nunmehr erhält der Kläger Altersrente, die zu 40 % von der Beklagten zu 1 und zu 60 % von der Beklagten zu 2 an ihn ausbezahlt wird. Derzeit zahlt die Beklagte zu 1 monatlich 1.048,00 Euro und die Beklagte zu 2 monatlich 1.572,00 Euro an den Kläger. Der Gesamtbetrag der monatlichen Altersrente des Klägers beträgt daher derzeit 2.620,00 Euro.

Der Kläger war bis zum Tod seiner ersten Ehefrau im Jahr 2007 mit dieser verheiratet. Am 00.00.2009 hat der Kläger die am 00.00.1943 geborene X. Y. geheiratet.

Durch Betriebsvereinbarung vom 16.12.1992 wurde die Satzung des Versorgungswerks der Beklagten begründet. Der Kläger ist hiernach unstreitig gem. § 1 Abs. 2 anspruchsberechtigt, da er vor dem 01.01.1992 seine Beschäftigung bei der Beklagten zu 1 aufgenommen hat.

Die Betriebsvereinbarung vom 16.12.1992 enthält u. a. nachfolgende Regelungen, die zugleich die Satzung des Versorgungswerkes darstellen:

"§ 7 Altersrente

Ein Mitarbeiter erhält eine Altersrente, wenn er

1. das 62. Lebensjahr vollendet hat

und

2. aus den Diensten der I. ausscheidet.

§ 8 Vorgezogene Altersrente

(1) Ein Mitarbeiter, der nach mindestens 10 I. Dienstjahren und nach Vollendung des 50. Lebensjahres mit Zustimmung der I. ausscheidet und vorzeitig in den Ruhestand tritt, erhält eine vorgezogene Altersrente. Der Zustimmungsvorbehalt der I. entfällt mit Vollendung des 60. Lebensjahres.

(2) Die vorgezogene Altersrente berechnet sich nach der Maßgabe der §§ 3 - 6 I. V. Für jeden Monat, den der Mitarbeiter vor Vollendung des 62. Lebensjahres ausscheidet, wird der Rentenanspruch für den Zeitraum zwischen vollendetem 50. und vollendetem 55. Lebensjahr um 0,5 % bzw. zwischen vollendetem 55. und vollendetem 62. Lebensjahr um 0,25 % auf Dauer gekürzt.

[...]

§ 10 Witwen/Witwerrente

(1) Die Witwe/der Witwer eines Mitarbeiters oder Rentners erhält eine Witwen-/Witwerrente in Höhe von 60 % der Rente, die der Rentner zuletzt erhielt oder die der Mitarbeiter erhalten hätte, wenn er zum Zeitpunkt des Todes wegen Erwerbsunfähigkeit ausgeschieden wäre.

(2) Ein Anspruch auf Witwen-/Witwerrente besteht nicht, wenn die Ehe nach Vollendung des 62. Lebensjahres geschlossen wird.

(3) Erbringt die I. im Rahmen eines verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs Leistungen an einen geschiedenen Ehegatten des verstorbenen Mitarbeiters oder Rentners, so wird die Witwen-Witwerrente auf Dauer entsprechend gekürzt.

(4) Die Witwenrente oder die Witwerrente ist um den Rentenwert der Versorgungssumme zu kürzen. Die Rentenwerte sind:

Alter der Witwe oder des Witwers zum Zeitpunkt des Todes des Mitarbeiters:

Rentenwert der Versorgungssumme pro Jahr:

20 - 24

3,5 %

25 - 29

3,6 %

30 - 34

3,8 %

35 - 39

3,9 %

40 - 44

4,2 %

45 - 49

4,6 %

50 - 54

5,0 %

55 - 59

5,6 %

über 60

6,8 %

(5) Ist die Versorgungssumme an mehrere Bezugsberechtigte auszuzahlen, die alle oder zum Teil nicht rentenberechtigt sind, so ist der volle Rentenwert der Versorgungssumme an der Witwen-/Witwerrente abzusetzen."

Wegen des übrigen Inhaltes der Betriebsvereinbarung vom 16.12.1992 wird auf Anlage B 1 ABl. 32 ff. der arbeitsgerichtlichen Akte Bezug genommen.

Der Kläger bat mit Schreiben vom 26.08.2015 (ABl. 7 der arbeitsgerichtlichen Akte) die Beklagte zu 1 um Bestätigung, dass seiner zweiten Ehefrau im Falle seines Vorversterbens ein Anspruch auf Witwenrente zusteht. Die Beklagten lehnte mit Schreiben vom 14.01.2016 (ABl. 8 der arbeitsgerichtlichen Akte) diese Bestätigung ab und bezog sich auf § 10 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung zur Satzung des Versorgungswerkes.

Der Kläger machte mit seiner am 04.05.2016 beim Arbeitsgericht Stuttgart eingereichten Klage geltend, es sei festzustellen, dass seiner derzeitigen Ehefrau im Falle des Vorverst...

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