Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachtarbeit. Linienbusfahrer

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 9 Ziff 9.1 des Manteltarifvertrags privater Kraftomnibusverkehr Baden-Württemberg ist so auszulegen, dass die Vorschrift an die tatsächlich im Kalendermonat geleisteten Arbeitsstunden anknüpft und Stunden, für die Urlaubsentgelt bzw. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gezahlt wurde, nicht berücksichtigt werden.

2. Ein Linienbusfahrer, der vertragsgemäß auf allen Linien, auch solchen mit Nachtarbeit, eingesetzt werden kann, leistet regelmäßige Nachtarbeit i.S.d. Tarifvertrags, unabhängig davon, wie oft dies tatsächlich der Fall ist und ob die zwischen den einzelnen Einsätzen liegenden Zeitabstände gleichmäßig oder ungleichmäßig sind.

 

Normenkette

TVG § 1; Manteltarifvertrag privater Kraftomnibusverkehr Baden-Württemberg

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 03.09.2002; Aktenzeichen 27 Ca 492/01)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 07.07.2004; Aktenzeichen 4 AZR 433/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Stuttgart, Kammern Aalen vom03.09.02, Az.: 27 Ca 492/01 teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 27,80 EUR brutto nebst Zinsen von jeweils 5%-Punkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit 22.08.01 und weitere 105,33 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit 24.01.2003 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten 1. Instanz trägt der Kläger 8/9, die Beklagte 1/9, von den Kosten der Berufung trägt der Kläger 3/4, die Beklagte 1/4.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird für den Kläger zugelassen.

 

Tatbestand

Für die Darstellung des Tatbestandes wird zunächst auf das arbeitsgerichtliche Urteil vom 03.09.02 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, es bestehe kein Anspruch auf Mehrarbeitszuschlag, da nach § 9 Ziffer 9.1 des Manteltarifvertrages privater Kraftomnibusverkehr Baden-Württemberg (im folgenden: MTV) eindeutig erst bei einem Überschreiten der monatlichen Arbeitszeit Zuschläge gezahlt würden. Urlaub werde nach § 12 Ziffer 12.1 a in Verbindung mit § 18 Ziffer 18.1 MTV unter Einbeziehung von Zuschlägen vergütet, was zwar vom gesetzlichen Lohnausfallprinzip teilweise abweiche, gemäß § 4 Abs. 4 Entgeltfortzahlungsgesetz sowie § 13 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz aber zulässig sei.

Für den Monat April 2001 habe der Kläger allerdings Anspruch auf Zuschläge für 9,25 Überstunden, was das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung übersehen habe.

Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Nachtarbeitszuschläge. Er sei darlegungs- und beweispflichtig für die außerplanmäßige Anordnung von Nachtarbeitsstunden und habe dieser Pflicht nicht hinreichend substanziiert genügt.

Das Urteil ist dem Kläger am 21.10.02 zugestellt worden. Mit seiner am 14.11.02 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und innerhalb der bis zum 23.01.03 verlängerten Berufungsbegründungsfrist, nämlich am 21.01.03 begründeten Berufung rügt der Kläger, das Arbeitsgericht habe § 9 Ziffer 9.1 MTV falsch ausgelegt. Durch diese Vorschrift solle nur ausgeschlossen werden, dass Zuschläge für Monate ohne Arbeitsleistung bezahlt würden. Tatsächliche Arbeitsleistung werde aber nicht gefordert. Die Auslegung der Beklagten führe dazu, dass Mehrarbeitszuschläge nur entstünden, wenn in einem Monat vor oder nach einer Urlaubs- bzw. Krankheitszeit 162 Stunden gearbeitet würden. Tatsächlich sei es nicht Wille der Tarifvertragsparteien gewesen, eine tägliche Beschäftigung von 10 Stunden ohne Zuschläge zu lassen. Dies ergebe sich aus der Erklärung der Tarifvertragsparteien vom 13.07.1999 (Bl. 51 d.A.). Für die Berechnung sei 1/5 der tariflichen Wochenarbeitszeit als ausgefallene Arbeitszeit für Urlaub und Krankheit anzusetzen. Hilfsweise seien jedenfalls dem Kläger für den Monat April 9,25 Stunden mit Mehrarbeitszuschlag abzugelten.

Der Kläger meint, er habe nicht regelmäßig im Sinne des Tarifvertrages Nachtarbeit geleistet sondern im Jahr 1999 nur fünfmal, 2000 einmal und 2001 neunmal. Der Dienstplan des Klägers werde wochenweise, in der Regel Donnerstags oder Freitags für die kommende Woche (Montag bis Sonntag) festgesetzt.

Klagerweiternd macht der Kläger Mehrarbeitszuschläge und Nachtarbeitszuschläge für den Zeitraum Mai bis Dezember 2001 geltend.

Der Kläger beantragt,

  1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart, Kammern Aalen, vom 3. September 2002 – Az.: 27 Ca 492/01 wird abgeändert.
  2. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 235,57 EUR brutto nebst Zinsen von jeweils 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit 22. August 2001 zu bezahlen.
  3. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger weitere 295,37 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Zustellung des Schriftsatzes zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt aus, die im Juli 1999 a...

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