Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 19.03.1986; Aktenzeichen 3 Ca 285/85)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19. März 1986 – AZ 3 Ca 285/85 – abgeändert:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob den Klägern für die Zeit der Aussperrung Ansprüche auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle zustehen.

Die Kläger sind Mitglieder der Industriegewerkschaft Metall (zukünftig IG-Metall); die Beklagte ist Mitglied des Verbandes der Metallindustrie Baden-Württemberg e.V. (zukünftig VMI). Anläßlich der Kündigung der Tarifverträge für die Arbeiter und Angestellten in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden zum 31. Dezember 1983 fand in der Zeit vom 14. Mai 1984 bis zum 2. Juli 1984 ein Arbeitskampf statt. Im Tarifgebiet betrug zu diesem Zeitpunkt die Gesamtzahl der beschäftigten Arbeitnehmer 501.000. Der Streikaufruf der IG-Metall vom 11. Mai 1984 richtete sich zunächst an die Arbeiter in insgesamt 14 Betrieben. In der Folgezeit wurde der Streik auf insgesamt 24 Betriebe und auch angestellte Arbeitnehmer ausgeweitet. Am 15. Mai 1984 faßte der Mitgliederrat des VMI einen generellen Aussperrungsbeschluß. Mit der Durchführung des Beschlusses, insbesondere mit der Festlegung des Beginns, der Dauer und des Umfangs der Aussperrung sowie der Bestellung der Kommission zur Entscheidung über Anträge auf Befreiung von der Aussperrungspflicht wurde der Vorstand des VMI beauftragt. Von der ersten Aussperrungsstufe, die am 22. Mai 1984 begann, wurden die Betriebe erfaßt, die 2.000 und mehr Arbeitnehmer beschäftigten. Die zweite Stufe der Aussperrung begann am 18. Juni und dauerte bis zum 28. Juni 1984. In diese Stufe waren die Betriebe mit über 1.000 Beschäftigten einbezogen. Nach Aufhebung der Aussperrung rief die IG-Metall die bislang Ausgesperrten für zwei Tage zur Verweigerung der Arbeitsaufnahme auf.

Die Kläger sind Arbeiter im Werk … der Beklagten, in dem ca. 1.800 Arbeitnehmer mit der Herstellung von Elektrowerkzeugen betraut sind. Das Werk … unterfiel der zweiten Stufe der Aussperrung. Die Kläger waren vom 18. bis 29. Juni 1984 arbeitsunfähig krank. Die Beklagte hat es abgelehnt, an die Kläger für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit die der Höhe nach unstreitigen und mehrfach geltend gemachten Lohnfortzahlungsbeträge zu bezahlen. Die Kläger bezogen für diese Zeit Krankengeld.

Die Kläger haben geltend gemacht, ihnen stehe ein Anspruch auf Lohnfortzahlung schon deswegen zu, weil die Aussperrung an sich als Arbeitskampfmittel grundsätzlich unzulässig sei. Selbst wenn die Aussperrung als zulässiges Arbeitskampfmittel anerkannt wurde, sei die konkrete Aussperrungsmaßnahme in der Zeit vom 18. bis 29. Juni 1984 unzulässig gewesen, da sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe. Insgesamt seien 60.264 Arbeitnehmer in der Zeit vom 14. Mai 1984 bis zum Ende des Arbeitskampfes in den Ausstand getreten. Demgegenüber seien auf Grund des Aussperrungsbeschlusses des VMI ab dem 22. Mai 1984 in 34 Betrieben 82.406 Arbeitnehmer und ab 18. Juni 1984 in 54 weiteren Betrieben weitere 45.629 Arbeitnehmer ausgesperrt worden. Zu den in der zweiten Stufe somit insgesamt 128.035 ausgesperrten Arbeitnehmern seien noch die 50.000 Arbeitnehmer hinzuzurechnen, die, verteilt auf 56 Firmen, durch die massive Aussperrung der Arbeitgeberseite aber auch durch die Streikmaßnahmen der IG-Metall bedingt in ihren Betrieben nicht mehr an ihren Arbeitsplatz gelassen, also „kalt ausgesperrt” worden seien.

Ungeachtet der Rechtmäßigkeit der Aussperrung stehe ihnen schon deswegen der geltend gemachte Lohnfortzahlungsanspruch zu, weil sie, da sie schon bei Beginn der Aussperrung arbeitsunfähig krank gewesen seien, von dem Aussperrungsbeschluß aus Rechtsgründen schon gar nicht hätten erfaßt werden können.

Der Kläger zu 1) hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 1.001,52 brutto, abzüglich DM 537,68 netto nebst 4 % Zinsen aus dem sich aus dem verbleibenden Bruttobetrag ergebenden Nettobetrag seit dem 11.07.1985 zu bezahlen.

Der Kläger zu 2 hat beantragt,

DM 1.001,52 brutto, abzüglich DM 562,76 netto nebst 4 % Zinsen aus dem sich aus dem verbleibenden Bruttobetrag ergebenden Nettobetrag seit dem 11.07.1985 zu bezahlen.

Der Kläger zu 3 hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 1.073,52 brutto, abzüglich DM 511,72 netto nebst 4 % Zinsen aus dem sich aus dem verbleibenden Bruttobetrag ergebenden Nettobetrag seit dem 11.07.1985 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Aussperrung sei an sich ein zulässiges Kampfmittel. Der Versuch der Kläger, die in den Arbeitskampf einbezogenen Arbeitnehmer in Problemgruppen aufzuspalten und damit dem Lohnrisiko der Arbeitgeber zu überantworten, führe zu einer Auflösung der geltenden Arbeitskampfordnung. Die Aussperrung in ihrem Betrieb sei auch nicht rechtswidrig gewesen. Wäh...

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