Entscheidungsstichwort (Thema)

Zweckbestimmung einer Sonderzahlung durch Arbeitgeber. Sonderzahlung im Zweifel synallagmatisch. Betriebliche Übung bei Sonderzahlungen. Positive Bestätigung bei Sonderzahlungen. Berücksichtigung von Arbeitsunfähigkeit bei Sonderzahlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Will der Arbeitgeber mit einer Sonderzahlung andere Zwecke als die Vergütung der Arbeitsleistung verfolgen, muss sich dies deutlich aus der zugrundeliegenden Vereinbarung ergeben, weil diese ja vom gesetzlich geregelten Synallagma abweicht (Stichwort: Positive Bestätigung).

2. Teilt der Arbeitgeber nicht mit, unter welchen Voraussetzungen die Sonderzahlung (Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeld) geleistet wird, ist anzunehmen, dass es sich um eine im Synallagma stehende Leistung handelt. Das führt jedoch dazu, dass Zeiten der Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht berücksichtigt werden können, wenn diesbezüglich eine Zurechnung zum Arbeitgeberrisiko durch Gesetz oder Kollektivvereinbarung nicht erfolgt ist.

 

Normenkette

BGB § 611a Abs. 2, §§ 133, 307 Abs. 3; ZPO § 91 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Villingen-Schwenningen (Entscheidung vom 10.06.2021; Aktenzeichen 5 Ca 436/20)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.01.2023; Aktenzeichen 10 AZR 116/22)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Villingen-Schwenningen vom 10.06.2021 - 5 Ca 436/20 - abgeändert.
  2. Die Klage wird abgewiesen.
  3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  4. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung von Weihnachtsgeld für die Jahre 2018, 2019 und 2020.

Der 58 Jahre alte Kläger steht seit 22. Januar 2003 bei der Beklagten, die sieben Arbeitnehmer beschäftigt, als Maschinenbediener in einem Arbeitsverhältnis. Seit 18. Dezember 2017 ist er durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.

Der Kläger hat mit seiner am 15. Oktober 2020 beim Arbeitsgericht Villingen-Schwenningen eingereichten Klage - soweit für die Berufung relevant - beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 3.000,00 € brutto und 1.500,00 € brutto an ihn nebst Zinsen zu verurteilen und vorgetragen, ihm stehe für die Jahre 2018, 2019 sowie 2020 ein Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes in Höhe von jeweils 1.500,00 € zu. Die Beklagte habe ihm seit Beginn seiner Beschäftigung im Jahr 2003 jeweils mit dem Lohnlauf November des laufenden Kalenderjahres ein Weihnachtsgeld ohne weitere Erklärungen gezahlt. Zuletzt habe er mit dem Lohnlauf November 2017 ein Weihnachtsgeld von 1.500,00 € brutto erhalten, dort erstmals mit dem Zusatz "freiw." in der Lohnabrechnung. Zumindest seien ihm seit dem Jahr 2010 jährlich 1.500,00 € brutto Weihnachtsgelder abgerechnet und bezahlt worden, bis einschließlich dem Jahr 2016 ohne weitere Erklärungen.

Die Beklagte hat vor dem Arbeitsgericht beantragt, die Klage abzuweisen und - soweit für die Berufung relevant - vorgetragen, der Kläger habe seit 2018 deshalb kein Weihnachtsgeld mehr bekommen, weil er seit dem 18. Dezember 2017 keinerlei Arbeitsleistung mehr erbracht habe.

Mit Urteil vom 10. Juni 2021 - 5 Ca 436/20 - hat das Arbeitsgericht - soweit für die Berufung relevant - der Klage teilweise in Höhe von jeweils 950,00 € für die Jahre 2018, 2019 und 2020 stattgegeben und ausgeführt, der Anspruch ergebe sich aus § 611 a Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem geschlossenen Arbeitsvertrag. Bei Zahlung einer über das arbeitsvertraglich vereinbarte Gehalt hinausgehenden Vergütung sei durch Auslegung (§§ 133, 153 BGB) zu ermitteln, ob sich der Arbeitgeber nur zu der konkreten Leistung (beispielsweise Gratifikation im Kalenderjahr) oder darüber hinaus auch für die Zukunft verpflichtet habe. Eine dauerhafte Verpflichtung könne sich insbesondere aus einem Verhalten mit Erklärungswert, wie einer betrieblichen Übung, ergeben. Unter Zugrundelegung dieser Anforderungen, habe der Kläger Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeldern für 2018, 2019 und 2020. Die Beklagte habe die Zahlungen nicht bestritten, wenn auch die Höhe streitig sei. Soweit sie in die Lohnabrechnungen zumindest seit dem Jahr 2017 den Zusatz "freiw." aufgenommen habe, stehe dies dem klägerischen Anspruch nicht entgegen, was es weiter ausgeführt hat. Die durchgehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers in den streitgegenständlichen Jahren, stehe dem Anspruch nicht entgegen, weil die Beklagte nicht ausgeführt habe, wie der Arbeitnehmer von einem solchen Vorbehalt Kenntnis erlangt habe. Würden solche Voraussetzungen vom Arbeitgeber nicht kommuniziert, könnten sie auch nicht Vertragsbestandteil werden. Zur Anspruchshöhe hat das Arbeitsgericht weitere Ausführungen gemacht.

Gegen dieses, der Beklagten am 14. Juli 2021 zugestellte Urteil wendet sich diese mit ihrer am 20. Juli 2021 eingereichten und nach antraggemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 14. Oktober 2021 fristgerecht ausgeführten Berufung.

Zur Begründung führt die Beklagte im Wesentlichen aus, das Urteil widerspreche ihrer klaren und im Protokoll der Kammerverhandlung festgehaltenen - unbestrittenen - Ang...

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