Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufausbildungsverhältnis. Probezeit. Verfassungsmäßigkeit einer Probezeitregelung. Anrechnung von Zeiten eines vorherigen Arbeitsverhältnisses auf die Probezeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 15 Abs. 1 BBiG ist verfassungsgemäß und verstößt insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

2. Ein vorheriges Arbeitsverhältnis als „Hilfskraft im Verkauf” ist nicht auf die Probezeit in einem anschließenden Arbeitsverhältnis zum Verkäufer im Einzelhandel anzurechnen.

 

Normenkette

BBiG § 15 Abs. 1; BGB § 622 Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Karlsruhe (Urteil vom 01.07.2003; Aktenzeichen 6 Ca 562/02)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.12.2004; Aktenzeichen 6 AZR 127/04)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichtes Karlsruhe vom01.07.2003, Az.: 6 Ca 562/02, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirkungen einer im Ausbildungverhältnis erklärten Kündigung.

Der 1982 geborene Kläger war bei der Beklagten, die ein Einzelhandelsunternehmen betreibt, zunächst ab 11.02.2002 als „Hilfskraft im Verkauf” beschäftigt. Nachdem dieses Arbeitsverhältnis aufgrund schriftlicher Kündigung vom 05.07.2002, welches dem Kläger zwei Tage später zuging, zum 31.08.2002 gekündigt worden war, erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Zuvor schon hatte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 27.05.2002 einen Ausbildungsplatz als Verkäufer im Einzelhandel zum 15.08.2002 angeboten. Dieses Angebot wurde vom Kläger mit Schreiben vom 10.06.2002 angenommen. Im Gütetermin vom 31.07.2002 einigten sich die Parteien vergleichsweise auf folgende Regelung:

  1. „Die Parteien stellen außer Streit, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen auf die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 15.07.2002 mit Ablauf des 31.08.2002 enden wird. Der Kläger bleibt bis dahin unwiderruflich von der Erbringung seiner Arbeitsleistung unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Bezüge freigestellt. § 615 Satz 2 BGB gilt nicht.
  2. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Kläger bei der Beklagten ab 15.08.2002 seine Ausbildung zum Verkäufer im Einzelhandel beginnen wird. Die Einzelheiten werden sie vertraglich regeln.
  3. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.
  4. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.”

Unter dem 02.08.2002 schlossen die Parteien einen schriftlichen Berufsausbildungsvertrag (Abl. I, 5). Hiernach sollte der Kläger zum „Verkäufer im Einzelhandel” mit der Fachrichtung/Schwerpunkt „Lebensmittel” ausgebildet werden. Gemäß B des Berufsausbildungsvertrags war eine Probezeit von drei Monaten vereinbart. Als Ausbildungsvergütung sollte der Kläger im ersten Ausbildungsjahr einen Betrag von EUR 570,00 erhalten. Beginn des Ausbildungsverhältnisses war für den 15.08.2002 vorgesehen. Am 13.08.2002 jedoch erlitt der Kläger einen Verkehrsunfall und war infolge dessen seit Beginn des Ausbildungsverhältnisses arbeitunfähig. Ab dem Beginn der fünften Woche seiner Arbeitsunfähigkeit (12.09.2002) leistete die Beklagte an den Kläger Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Bis zum 17.10.2002 war der Kläger an drei Tagen in der Zeit zwischen Mitte und Ende September arbeitsfähig.

Mit Schreiben vom 17.10.2002, welches dem Kläger am gleichen Tag zuging, kündigte die Beklagte das Ausbildungsverhältnis.

Neben anderen Dingen, die inzwischen erledigt sind, geht es dem Kläger nunmehr um die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung, wobei er zum einen die Länge der vereinbarten Probezeit und zum anderen die Verfassungsmäßigkeit des § 15 anzweifelt. Er hält eine dreimonatige Probezeit für zu lang, nachdem er bei der Beklagte bereits mehr als drei Monate in einem Arbeitsverhältnis gestanden habe. Auch sei § 15 Abs. 1 BBiG wegen Verstoßes gegen Art. 3 GG unwirksam. Denn ein Arbeitnehmer könne nach § 622 Abs. 3 BGB auch während der Probezeit nur mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen gekündigt werden. Der Kläger verfolgt deswegen mit seiner Klage den Teil der Ausbildungsvergütung, der auf den Zeitraum vom 18.10. bis 31.10. entfällt in Höhe von EUR 247,00.

Unter Einbeziehung weiterer Ansprüche hat der Kläger erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 257,32 EUR brutto sowie 15,37 EUR netto zu zahlen. Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und einen Teilbetrag von 10,42 EUR brutto und 15,37 EUR anerkannt.

Die Beklagte hat sowohl die vereinbarte Probezeit für wirksam angesehen als auch Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs. 1 BBiG bejaht. Im angegriffenen Urteil vom 01.07.2003 hat das Arbeitsgericht die Beklagte hinsichtlich der anerkannten Beträge verurteilt, im übrigen aber die Klage abgewiesen, die Kosten dem Kläger zu 11/12 auferlegt, den Streitwert auf EUR 272,79 festgesetzt und die Berufung zugelassen. In den Entscheidungsgründen, auf die der Einzelheiten wegen verwiesen wird, hat es einen Anspruch des Klägers auf EUR 247,00 für den auf die Zeit nach dem 18.10.2002 entfallenen Zeitraum v...

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