Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltung. Neumasseverbindlichkeit. Urlaubsabgeltungsanspruch als Neumasseverbindlichkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Aufteilung des bestehenden Urlaubsanspruchs in Urlaubsansprüche vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit und nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit mit Inanspruchnahme der Gegenleistung ist nicht möglich. Es besteht für das Kalenderjahr ein einheitlicher Urlaubsanspruch.

2. Entscheidet sich der Insolvenzverwalter für die Inanspruchnahme der Leistungen des Arbeitnehmers, sind die noch offenen Urlaubsansprüche daher als Neumasseverbindlichkeit zu berichtigen.

 

Normenkette

InsO § 209; BUrlG § 7 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Urteil vom 09.05.2005; Aktenzeichen 7 Ca 73/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.11.2006; Aktenzeichen 9 AZR 97/06)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Villingen-Schwenningen vom 09.05.2005 (Az. 7 Ca 73/05) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob es sich bei dem Anspruch der Klägerin auf Urlaubsabgeltung um eine Neumasseverbindlichkeit handelt.

Die Klägerin war seit 01.03.2001 Arbeitnehmerin der E. GmbH. Über deren Vermögen wurde durch Beschluss des Amtsgericht Villingen-Schwenningen vom 01.06.2004 (Az. 1 IN 25/04) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestimmt. Bereits am 25.05.2004 hatte zuvor als vorläufiger Insolvenzverwalter die anfänglich drohende Masseunzulänglichkeit angezeigt. Dies wurde im Eröffnungsbeschluss bekannt gemacht.

Die Klägerin war Leiterin des Einkaufes. Nach § 5 des außertariflichen Anstellungsvertrages betrug der Urlaubsanspruch der Klägerin 30 Tage pro Kalenderjahr. Bei nicht ganzjähriger Betriebszugehörigkeit sieht der Anstellungsvertrag die anteilige Gewährung vor.

Mit Schreiben vom 22.06.2004 hat der Beklagte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 30.09.2004 gemäß § 113 InsO gekündigt. Die Klägerin wurde ebenso wie eine Anzahl weiterer Arbeitnehmer bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterbeschäftigt. Sie erbrachte dem Beklagten gegenüber ihre vertraglich geschuldete Arbeitsleistung. Im September 2004 wurden der Klägerin auf ihren Antrag 10 Arbeitstage Urlaub im Zeitraum vom 06.09. bis 17.09.2004 gewährt und als Masseforderung erfüllt. Unstreitig ist, dass der weitere Resturlaubsanspruch von 7 Arbeitstagen bis zum Ablauf des 30.09.2004 mit der Höhe nach unstreitigen EUR 1.615,18 im Hinblick auf die streitige Bewertung der Urlaubsansprüche bei Insolvenzeröffnung nicht erfüllt wurde. Der Beklagte hat zur Begründung angegeben, dass der anteilige Urlaubsanspruch für die Tätigkeit vom 01.06.2004 bis 30.09.2004 in natura gewährt werde und der noch offene Resturlaub nicht als Neumasseverbindlichkeit beglichen werde.

Mit der am 17.02.2005 erhobenen Klage hat die Klägerin die Zahlung der offenen Urlaubsansprüche als Neumasseverbindlichkeit geltend gemacht.

Die Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 1.615,18 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte hat die Klagabweisung

beantragt.

Bei den offenen Urlaubsansprüchen handele es sich um keine Neumasseverbindlichkeit.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Der nicht erfüllte Urlaubsanspruch sei nach § 209 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO Neumasseverbindlichkeit.

Gegen das dem Beklagten am 17.05.2005 zugestellte Urteil hat dieser am 17.06.2005 Berufung eingelegt und diese am 14.07.2005 begründet. Die hier streitige Rechtsfrage sei vom Bundesarbeitsgericht noch nicht entschieden. Die Anwendung von § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO scheide aus. Nach dieser Vorschrift entstehe eine Neumasseverbindlichkeit nur, soweit der Insolvenzverwalter die Gegenleistung in Anspruch nehme. Bei sachgerechter Betrachtung könne man nur zum Schluss kommen, dass eine Neumasseverbindlichkeit nur für die tatsächlich erhaltene Gegenleistung, nicht aber für Urlaubsabgeltungsansprüche gelten könne, von denen die Insolvenzmasse nicht profitieren werde. Nicht der Urlaubsanspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht, sondern das Entgelt für den Arbeitsmonat sei die Leistung der Masse für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers als Gegenleistung. Ein anderes Ergebnis würde im Widerspruch zum erklärten gesetzgeberischen Ziel der Sanierung insolventer Unternehmen stehen. Der Insolvenzverwalter müsste in jedem Fall prüfen, ob seine „Gegenleistung” noch in angemessenem Äquivalenzverhältnis zur Leistung des Arbeitnehmers stehe. Dies könne dazu führen, dass trotz betrieblicher Notwendigkeiten wegen dieses Missverhältnisses der Arbeitnehmer nicht weiterbeschäftigt werden könne. Der Insolvenzverwalter wäre in jedem Fall gezwungen, die Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist von ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung freizustellen, um der Abge...

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