Entscheidungsstichwort (Thema)

funktionswidrige Verwendung eines Sozialplans arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz

 

Leitsatz (amtlich)

Anspruch auf Sozialplanabfindung darf nicht von der Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags abhängig gemacht werden.

 

Normenkette

BetrVG §§ 112, 75

 

Verfahrensgang

ArbG Reutlingen (Urteil vom 17.07.1997; Aktenzeichen 2 Ca 617/96)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 17.07.1997 – 2 Ca 617/96 – insoweit abgeändert, als eine Konkursforderung von mehr als 16.195,02 DM zur Konkurstabelle festgestellt wurde; insoweit wird die Klage abgewiesen.

Im übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

Die Klägerin hat 1/20, der Beklagte 19/20 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 64 Abs. 1 u. 2 ArbGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und ausgeführte (§§ 66 Abs. 1 Satz 1. 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 518 Abs. 1 u. 2, 519 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ZPO) und auch im übrigen zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache nur in geringem Umfang Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage in Höhe von 16.195.02 DM zu Recht und mit zutreffender Begründung entsprochen; lediglich hinsichtlich des darüber hinausgehenden Betrages von 886,16 DM ist die Klage unbegründet.

Die nach § 146 Abs. 5, Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KO erhobene Feststellungsklage ist zulässig, insbesondere auch streitgegenständlich hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO.

In Höhe von 16.195,02 DM ist die Klage auch begründet. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, aus dem am 30.06.1996 abgeschlossenen Sozialplan. Die Klägerin gehörte zu den Arbeitnehmern, die sich – wie in Ziffer 2 Satz 1 des Sozialplans vorgesehen – am 14.11.1995 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit der Gemeinschuldnerin befanden und denen gemäß Interessenausgleich vom 14.11.1995 gekündigt wurde. Allerdings hat die Klägerin ihre vom Beklagten bestrittene Behauptung, ebenso wie andere Mitarbeiter den ihr mit Schreiben vom 22.11.1995 angebotenen Aufhebungsvertrag unterzeichnet und damit die in Ziffer 2 Satz 2 des Sozialplans vorgesehene weitere Voraussetzung für die Teilnahme am Sozialplan erfüllt zu haben, nicht zu beweisen vermocht. Dies steht jedoch, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, dem Abfindungsanspruch der Klägerin nicht entgegen. Die in Ziffer 2 Satz 2 des Sozialplans enthaltene Klausel ist nämlich unwirksam.

Zum einen haben die Betriebspartner mit dieser Klausel einen mit der Funktion eines Sozialplans unvereinbaren Zweck verfolgt und damit die Grenzen ihrer Regelungsmacht überschritten (vgl. hierzu insbesondere BAG, Urteil vom 20.12.1983 – 1 AZR 442/82 – in AP Nr. 17 zu § 112 BetrVG 1972 mit zustimmender Anmerkung von v. Hoyningen-Huene) Ein Sozialplan dient, wie sich aus § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ergibt, dem Ausgleich oder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der Betriebsänderung entstehen (allgemeine Auffassung, vgl. etwa BAG vom 20.12.1983, a. a. O.; BAG, Urteil vom 10.07.1995 – 10 AZR 885/94 – in AP Nr. 96 zu § 112 BetrVG 1972). Sein Zweck ist somit der Schutz der betroffenen Arbeitnehmer. Daher „darf er nicht als Instrument eingesetzt werden, dem Unternehmer die geplante Betriebsänderung noch zu erleichtern und ihm das Risiko von Rechtsfehlern, die ihm im Vollzuge der Betriebsänderung unterlaufen, abzunehmen und es gar auf die betroffenen Arbeitnehmer zu verlagern” (BAG vom 20 12.1983, a. a. O.). Zu Recht hat es daher das Bundesarbeitsgericht auch für unzulässig erachtet, den Anspruch auf eine Sozialplanabfindung mit einem Verzicht der betroffenen Arbeitnehmer auf gesetzlichen Kündigungsschutz zu verknüpfen (BAG vom 20.12.1983, a. a, O., BAG, Urteil vom 20.06.1985 – 2 AZR 427/84 – in AP Nr. 33 zu § 112 BetrVG 1972). Nichts anderes gilt, wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, dann, wenn – wie vorliegend – der Anspruch auf die im Sozialplan vorgesehene Abfindung von der Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags durch den Arbeitnehmer abhängig gemacht wird. Auch in diesem Fall wird der Sozialplan funktionswidrig dazu eingesetzt, die Arbeitnehmer zu veranlassen, auf die Inanspruchnahme etwaiger insbesondere sich aus kündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen ergebender Rechte zu verzichten oder sie für ein entsprechendes „Wohlverhalten” zu belohnen. Dabei gilt insoweit entgegen der Auffassung des Beklagten auch im Konkurs nichts anderes. Bereits dieser von den Betriebspartnern mit der Regelung in Ziffer 2 Satz 2 des Sozialplans verfolgte funktionswidrige Zweck macht die Klausel unwirksam.

Darüber hinaus verstößt die Verknüpfung der Sozialplanabfindung mit der Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags auch gegen den von den Betriebspartnern gemäß § 75 Abs. 1 BetrVG zu beachtenden arbeit...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge