Entscheidungsstichwort (Thema)

Schmerzensgeld bzw. Geldentschädigung wegen Nichtbeschäftigung. Bestimmtheit eines Beschäftigungsantrags. Vergütungsanpassung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Bestimmtheitserfordernis für Klagen nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dient dazu im Falle eines stattgebenden Urteils festzulegen, welche Verhaltensweise dem Schuldner aus dem Urteilsspruch obliegt. Der Streit der Parteien darf nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden (Anschluss an BAG, Urteil v. 10.05.2005 – 9 AZR 230/04).

2. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO deckt nur Tätigkeitszuweisungen im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen ab. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers rechtfertigt auch dann nicht die Übertragung niedriger zu bewertender Tätigkeiten, wenn der Arbeitgeber die, der bisherigen Tätigkeit entsprechende, höhere Vergütung fortzahlt.

3. Beschäftigt ein Arbeitgeber über längeren Zeitraum einen leitenden Angestellten nicht bzw. nicht vertragsgerecht, so kann dem Angestellten ein Schmerzensgeldanspruch bzw. ein Anspruch auf Geldentschädigung zustehen.

 

Normenkette

GewO § 106; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; BGB § 280 Abs. 1, § 253 Abs. 2, §§ 823, 278, 31; GG Art. 1, 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 30.11.2005; Aktenzeichen 2 Ca 8178/04)

 

Tenor

I. Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten Ziff. 1 wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom30.11.2005 – 2 Ca 8178/05 – teilweise abgeändert:

  1. Die Beklagte Ziff. 1 wird verurteilt, den Kläger als Leiter einer Linien-, Fach- oder Projektfunktion auf der Ebene 2 zu beschäftigen.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, die vom Arbeitsgericht zuerkannten Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von EUR 11.880,00 seit 01.04.2003, aus einem Betrag von EUR 4.797,00 seit 01.04.2004 und aus einem Betrag von EUR 4.809,00 seit 01.04.2005 zu zahlen.
  3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehenden Berufungen des Klägers und der Beklagten Ziff. 1 werden zurückgewiesen.

III. Die Gerichtskosten erster Instanz tragen der Kläger zu 80 % und die Beklagte Ziff. 1 zu 20 %. Von den außergerichtlichen Kosten erster Instanz trägt der Kläger die Kosten der Beklagten Ziff. 1 zu 80 % und die des Beklagten Ziff. 2 voll. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die Kosten der Berufung tragen der Kläger zu 79 % und die Beklagte Ziff. 1 zu 21 %.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Beschäftigung des Klägers, einen Schmerzensgeldanspruch sowie um verschiedene Ansprüche auf Restvergütung.

Der am 02.06.1960 geborene, verheiratete und einem Kind unterhaltspflichtige Kläger ist bei der Beklagten Ziff. 1 (im folgenden nur noch: Beklagte) seit 01.05.1985 beschäftigt. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilindustrie. Dem Arbeitsverhältnis liegt der Arbeitsvertrag vom 23.03./06.04.1999 zu Grunde. Wegen des Inhalts des Arbeitsvertrages wird auf ABl. 22 ff. der erstinstanzlichen Akten Bezug genommen.

Der Kläger besitzt einen Universitätsabschluss als Diplom-Kaufmann. Er war bei der Beklagten seit seinem Eintritt mit verschiedenen Aufgaben im Bereich des Marketing und des Vertriebs betraut, wobei ihm seit 01.05.1993 Leitungs- und Führungsaufgaben auf der Ebene 3 der Unternehmenshierarchie der Beklagten zugewiesen wurden. Mit Wirkung zum 01.04.1999 wurde dem Kläger die Funktion „Leiter Mehrmarkenmanagement/Strategisches Marketing” übertragen. In dieser Funktion hatte der Kläger an den Leiter „Strategische Planung und Controlling NFZ” zu berichten. Er hatte die Personalverantwortung für 12 Mitarbeiter, von denen sich 2 Mitarbeiter auf der Führungsebene 3 befanden. Der Kläger trug die Verantwortung für mehrere Kostenstellen und ein Budget von ca. 15 Mio. EUR. Im Zusammenhang mit dieser Übertragung teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 01.04.1999 mit, dieser sei in seiner Funktion, die der Ebene 2 zugeordnet sei, leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG.

Nach Ziff. 3.1 des Arbeitsvertrags setzt sich das Arbeitsentgelt des Klägers aus einem Festgehalt (Jahresgehalt) und aus einer variablen Vergütung zusammen. Das Festgehalt bemisst die Beklagte im Rahmen von Gehaltsbandbreiten nach Leistung, Führungsverhalten, Verantwortung und Lebensalter. Die variable Vergütung (Ziel) beläuft sich auf 60 % des Jahresgehalts und ist ihrerseits in eine Tantieme (60%) und Erfolgsbeteiligung (40%) aufgeteilt. Die Tantieme ist abhängig von der individuellen Leistung der Führungskraft, die anhand des Zielerreichungsgrads und einer Performancebewertung ermittelt wird. Die Erfolgsbeteiligung ist abhängig von der Zielerreichung des Geschäftsbereichs und des Geschäftsfeldes. Im März jeden Jahres erhält jede Führungskraft einen Gehaltsbrief, in dem die Ist-Tantieme und die Ist-Erfolgsbeteiligung für das vorherige Jahr sowie das Ziel-Jahreseinkommen, das (feste) Jahresgehalt und die zielvariable Vergütung für das aktuelle Jahr aufgeführt ist.

Das (fixe) Jahresgehalt des Kläger...

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