Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstandspflicht der Arbeitgeberin bei Leistungskürzungen durch die Pensionskasse. Auslegung des Arbeitsvertrages zur Abgrenzung zwischen Beitragszusage und Leistungszusage. Wiedereinsetzung in der vorigen Stein bei versehentlicher Abgabe eines fristgebundenen Schriftsatzes beim falschen Gericht durch langjährigen zuverlässigen Mitarbeiter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einer Partei ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn die Versäumung einer Frist darauf beruht, dass sorgfältig instruiertes und langjährig zuverlässig arbeitendes Büropersonal in einem Einzelfall einen fristgebundenen Schriftsatz versehentlich beim falschen Gericht abgibt.

2. Der eine betriebliche Altersversorgung zusagende Arbeitgeber ist für Leistungskürzungen einer Pensionskasse einstandspflichtig.

3. Ob eine Zusage einer betrieblichen Altersversorgung oder nur eine reine Beitragszusage vorliegt, ist in einer Gesamtschau aller Umstände zu bestimmen.

4. Die Einstandspflicht des Arbeitgebers beschränkt sich auf den auf seinen Beiträgen beruhenden Teil der Pensionskassenrente. Die Einstandspflicht des Arbeitgebers umfasst nicht den auf Beiträgen des Arbeitnehmers beruhenden Teil der Pensionskassenrente, auch wenn es sich dabei um Pflichtbeiträge handelt.

5. Die Einstandspflicht des Arbeitgebers erstreckt sich auch auf unbefristete Gewinnanteile, die nicht auf der Beitragszahlung des Arbeitgebers, sondern auf dem Wirtschaften der Pensionskasse beruhen, sofern der Arbeitnehmer entsprechend den tariflichen Bestimmungen der Pensionskasse einen Anspruch auf die Zahlung von Überschussanteilen erwirbt.

6. § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG gilt nur für laufende Leistungen, die auf Zusagen beruhen, die seit dem Inkrafttreten der Deckungsrückstellungsverordnung am 16. Mai 1996 erteilt wurden.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 611 Abs. 1; BetrAVG § 1 Abs. 1 S. 3, § 16 Abs. 1-2, 3 Nr. 2; ZPO §§ 233, 85 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Ulm (Entscheidung vom 13.06.2014; Aktenzeichen 3 Ca 531/13)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.12.2016; Aktenzeichen 3 AZR 344/15)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des ArbG Ulm vom 13.06.2014 - 3 Ca 531/13 - wird unter Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen.

  • II.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 13.06.2014 - 3 Ca 531/13 abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

    1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.478,86 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten oberhalb des Basiszinssatzes

      aus je 41,02 Euro seit dem 01.02.2010,

      aus je 102,72 seit dem 01.03., 01.04., 01.05., 01.06. und 01.07.2010

      und aus je 107,81 Euro seit dem 01.08., 01.09., 01.10.2010 und 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05., 01.06. und 01.07.2011

      und aus je 112,62Euro seit dem 01.08., 01.09., und 01.10., 01.11., 01.12.2011 und 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05., 01.06. und 01.07.2012

      und aus je 117,35 Euro seit dem 01.08., 01.09, 01.10., 01.11. und 01.12.2012 und 01.01., 01.02.2013

      uns aus je 145,47 seit dem 01.03., 01.04., 01.05., 01.06. und 01.07.2013

      und aus je 150,13 Euro seit dem 01.08., 01.09., 01.10., 01.11. und 01.12.2013 und 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05., 01.06. und 01.07.2014

      und aus je 154,74 Euro seit dem 01.08., 01.09. und 01.10., 01.11. und 01.12.2014 und 01.01.2015 zu zahlen.

    2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 01.01.2015 monatlich weitere 154,74 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten oberhalb des Basiszinssatzes aus je 154,74 Euro seit 01.02., 01.03., 01.04. und 01.05.2015 zu zahlen.
    3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  • III.

    Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

  • IV.

    Die Kosten der Berufung tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

  • V.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte für Leistungskürzungen einzustehen hat, die von der Pensionskasse für die d. W. V. hinsichtlich der Alterspension des Klägers vorgenommen wurden.

Der am 00.00.1938 geborene Kläger war ab dem 01.08.1969 auf der Grundlage des als Anl. K1 (9 - 12 der Akte des Arbeitsgerichts) vorgelegten Arbeitsvertrages vom 29.04.1969 bis zum 31.01.2001 bei der Beklagten beschäftigt. In Ziffer 8 des Arbeitsvertrags heißt es:

"D. wird nach den Bestimmungen der Betriebsvereinbarung in die Pensionskasse aufgenommen. Es ist ferner vorgesehen, ihn in die bestehende Unfallversicherung zu übernehmen."

Der Kläger wurde zum 01.07.1971 als Mitglied der Pensionskasse der c. I. D. aufgenommen, die sich 1996 in "Pensionskasse für die d. W. " (P.) unbenannte. Bei der P. handelte es sich um eine regulierte Pensionskasse. Die Beklagte führte von 1971 bis 2001 einen Beitrag iHv. 6 % des nach den Bestimmungen der Pensionskasse pensionsfähigen Einkommens des Klägers an die Pensionskasse ab. Zwei Drittel hiervon (4 %) trug die Beklagte, ein Drittel (2 %) wurde von der versteuerten und verbeitragten Vergütung des Klägers einbehalten und sodann an die Pensionskasse abgeführt. Dies entsprach "...

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