Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Gesamtbetriebsrats auf Freischaltung von Telefonapparaten in Verkaufsstellen, wenn ein örtlicher Betriebsrat nicht gebildet ist

 

Leitsatz (amtlich)

Der Gesamtbetriebsrat hat gemäß §§ 51 Abs. 1, 40 Abs. 2 BetrVG einen Anspruch auf Freischaltung der in den einzelnen Verkaufsstellen vorhandenen Telefonapparate zur Erfüllung von gesetzlichen Aufgaben, soweit ein örtlicher Betriebsrat nicht gebildet ist.

Zum einen ist der Gesamtbetriebsrat gemäß §§ 17 Abs. 1 BetrVG verpflichtet, in betriebsratslosen Betrieben einen Wahlvorstand zu bestellen.

Zum anderen ist der Gesamtbetriebsrat gemäß §§ 51 Abs. 5, 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG verpflichtet, in betriebsratslosen Betrieben die Durchführung von im Rahmen des §§ 50 Abs. 1 BetrVG abgeschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarungen zu überwachen.

 

Normenkette

BetrVG § 40 Abs. 2, § 17 Abs. 1, § 80 Abs. 1 Nr. 1, § 51 Abs. 1, 5

 

Verfahrensgang

ArbG Ulm (Beschluss vom 11.09.2007; Aktenzeichen 2 BV 3/07)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 09.12.2009; Aktenzeichen 7 ABR 46/08)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Ulm vom 11.09.2007 – 2 BV 3/07 abgeändert:

  1. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die Telefone in den einzelnen Verkaufsstellen im Zuständigkeitsbereich des antragstellenden Gesamtbetriebsrats, mit Ausnahme derjenigen Verkaufsstellen, für die ein Betriebsrat gebildet ist, telefontechnisch so einrichten zu lassen, dass das Büro des Gesamtbetriebsrats in den Verkaufsstellen anrufen kann und die Arbeitnehmer in den Verkaufsstellen das Büro des Gesamtbetriebsrats anrufen können.
  2. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, dem Gesamtbetriebsrat eine vollständige Liste der frei geschalteten Telefone mit Telefonnummer und Filialbezeichnung zu erteilen, mit Ausnahme derjenigen Verkaufsstellen, für die ein Betriebsrat gebildet ist.
  3. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, die in seinen Verkaufsstellen vorhandenen Telefonanlagen so einrichten zu lassen, dass das Büro des Gesamtbetriebsrats in die Verkaufsstellen, für die kein Betriebsrat besteht, anrufen kann und die Arbeitnehmer in diesen Verkaufsstellen das Büro des Gesamtbetriebsrats anrufen können.

Der Arbeitgeber vertreibt bundesweit Drogeriewaren über Verkaufsstellen. Er beschäftigt ca. 40.000 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (im Folgenden: Arbeitnehmer) in ca. 10.000 Verkaufsstellen. Die Verkaufsstellen sind aufgrund einer tariflichen Vereinbarung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG Bezirken zugeordnet, die als Betriebe gelten und in denen Betriebsräte gewählt werden können. In derzeit 112 der insgesamt ca. 300 Bezirke sind örtliche Betriebsräte gebildet, der Rest – also ca. 2/3 – ist betriebsratslos. Nach Angaben des Arbeitgebers gibt es derzeit bundesweit ca. 6.500 Verkaufsstellen, für die kein örtlicher Betriebsrat gebildet ist. In allen ca. 10.000 Verkaufsstellen sind Telefone vorhanden, von denen aus (nur) Notfallnummern (Polizei, Feuerwehr usw.) und das zuständige Verkaufsbüro des Arbeitgebers angerufen und von diesen Anrufe entgegengenommen werden können. Seit mehreren Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts sind zwischen den Verkaufsstellen, für die örtliche Betriebsräte gebildet sind, und dem Büro des örtlichen Betriebsrats Telefongespräche in beiden Richtungen möglich. Dagegen ist eine telefonische Kommunikation zwischen dem Büro des Gesamtbetriebsrats und den einzelnen Verkaufsstellen in beiden Richtungen nur dann möglich, wenn in der Verkaufsstelle ein Betriebsratsmitglied oder ein Gesamtbetriebsratsmitglied beschäftigt ist.

Der Gesamtbetriebsrat hat seinen erstinstanzlichen Antrag damit begründet, dass alle Beschäftigten die Möglichkeit haben müssen, das Büro des Gesamtbetriebsrats während der Arbeitszeit telefonisch zu erreichen. Die sachgerechte Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte ohne Informations- und Meinungsaustausch zwischen dem Gesamtbetriebsrat und den Arbeitnehmern sei nicht denkbar. Es stehe deshalb im pflichtgemäßen Ermessen des Gesamtbetriebsrats, welche Informationen- und Kommunikationswege er für zweckmäßig halte. Mit dem Arbeitgeber seien verschiedene Gesamtbetriebsvereinbarungen abgeschlossen, deren Einhaltung der Gesamtbetriebsrat überwachen müsse. Außerdem habe der Gesamtbetriebsrat nach § 17 Abs. 1 BetrVG die Aufgabe, Wahlvorstände in den betriebsratslosen Betrieben zu bestellen.

Der Gesamtbetriebsrat hat erstinstanzlich beantragt,

dem Antragsgegner wird aufgegeben, die Telefone in den einzelnen Verkaufsstellen des Arbeitgebers mit Ausnahme derjenigen Verkaufsstellen, in denen Mitglieder der örtlichen Betriebsräte oder des Gesamtbetriebsrats beschäftigt sind, jedoch insbesondere in denjenigen Verkaufsstellen, die von einem zuständigen Betriebsrat nicht erfasst werden, also betriebsratslos sind, in der Weise freizuschalten, dass alle Beschäftigten aus den Verkaufsstellen das Büro des G...

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