Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablösung von durch auf Einzelbetriebsebene erteilter Gesamtzusage begründeten Ansprüchen auf betriebliche Altersversorgung durch eine Konzernbetriebsvereinbarung. Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats auch für eine nur einen einzelnen Konzernbetrieb betreffende Besitzstandsregelung. Vergleichsgruppenbildung bei kollektivem Günstigkeitsvergleich. Bestimmung des Dotierungsrahmens. sachlich-proportionale Gründe für den Eingriff in noch nicht erdiente Zuwachsraten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Betriebsvereinbarung kann vertraglich begründete Ansprüche der Arbeitnehmer mit kollektivem Bezug, die auf eine vom Arbeitgeber gesetzte Einheitsregelung oder eine Gesamtzusage zurückgehen, einschränken, soweit die Neuregelung insgesamt bei kollektiver Betrachtung für die Belegschaft nicht nachteilig ist.

2. Im Rahmen des kollektiven Günstigkeitsvergleichs kommt es nicht auf eine vor Inkrafttreten einer ablösenden Betriebsvereinbarung bereits konkret begünstigte Teilgruppe an, sondern auf die Gesamtbelegschaft.

3. Innerhalb der Grenzen, die den Betriebsparteien durch einen kollektiven Günstigkeitsvergleich oder auch einen stillschweigenden Abänderungsvorbehalt gezogen sind, können diese nicht schrankenlos in bestehende Besitzstände der Arbeitnehmer eingreifen. Die Eingriffe müssen vielmehr den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren.

 

Normenkette

BetrVG § 77 Abs. 1; BetrAVG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ulm (Beschluss vom 30.03.2000; Aktenzeichen 8 BV 3/99)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 17.06.2003; Aktenzeichen 3 ABR 43/02)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin und die Anträge der Beteiligten zu 3-5 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Ulm – Kammern Ravensburg – vom 30.03.2000 – 8 BV 3/99 – abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Betriebsvereinbarung über die Versorgungsordung im Konzern … zwischen … GmbH/… GmbH/… GmbH und dem Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebs der … GmbH/… GmbH/… GmbH vom 30.11.1998 und die Betriebsvereinbarung über die Besitzstands- und Übergangsregelung zur Einführung der Versorgungsordnung (VO 1997) im Konzern … zwischen … GmbH/… GmbH/… GmbH und dem Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebs der … GmbH/… GmbH/… GmbH vom 30.11.1998 in Verbindung mit der Konzernbetriebsvereinbarung zwischen der … … AG (…) und dem Konzernbetriebsrat über die Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung im …-Konzern vom 09.12.1998 die für die Mitarbeiter der Antragstellerin und der Beteiligten zu 3 und zu 4 bis 31.12.1997 geltende Versorgungsordnung 1992 abgelöst haben.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Die Beteiligten streiten darüber, ob durch eine Gesamtzusage begründete Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung durch eine Betriebsvereinbarung wirksam abgelöst worden sind.

Die Beteiligte zu 1 bildet mit den Beteiligten zu 3 und 4 einen Gemeinschaftsbetrieb, dessen Betriebsrat der Beteiligte zu 2 ist. Dieser Gemeinschaftsbetrieb gehört neben anderen, früher zum …-Konzern gehörenden oder aus ihm hervorgegangenen Firmen mit derzeit ca. 2.800 Beschäftigten zum Konzern der Beteiligten zu 5. Deren Konzernbetriebsrat ist der Beteiligte zu 6.

Die Konzernunternehmen entschlossen sich 1994, ihre betrieblichen Versorgungssysteme einheitlich zu gestalten. Dabei sollte auch die Kostendynamik der bis dahin bestehenden Versorgungszusagen auf „wieder kalkulierbare Formen” zurückgeführt werden. Deshalb schlossen die Konzernunternehmen die damaligen Versorgungsregelungen zum 31.12.1995 für neu eintretende Mitarbeiter.

In der Folgezeit verhandelten die Einzelbetriebsräte und der Konzernbetriebsrat einerseits und die einzelnen Konzernunternehmen und die Konzernmutter andererseits über den Abschluss neuer Versorgungsrichtlinien. Weil man sich über die Zuständigkeit (Einzelbetriebe [so die Betriebsratsseite] oder Konzern (so die Arbeitgeberseite]) nicht einigen konnte, kam man überein, sowohl Einzel- als auch Konzernbetriebsvereinbarungen abzuschließen. So schlossen die Beteiligten zu 1 – 4 am 30.11.1998 mit Wirkung ab 01.11.1998 die

  • „Betriebsvereinbarung über die Versorgungsordnung im Konzern … (Bl. 36 – 62 d. erstinstanzlichen Akte; künftig: „VO 97”) nebst Anlage (Bl. 63 d. erstinstanzlichen Akte) und Protokollnotizen (Bl. 64 f. d. erstinstanzlichen Akte).
  • „Betriebsvereinbarung über die Besitzstands- und Übergangsregelung zur Einführung der Versorgungsordnung (VO 1997) im Konzern … (Bl. 66 – 70 d. erstinstanzlichen Akte; künftig: „BV Besitzstandsregelung”) nebst Anlage über die abzulösenden Verordnungen (Bl. 71 d. erstinstanzlichen Akte) und Protokollnotizen (Bl. 72 – 78 d. erstinstanzlichen Akte). Diese lautet auszugsweise wie folgt:

„A) Ablösung bisheriger Versorgungsregelungen Durch die Einführung der VO 1997 mit dieser Besitzstands- und Übergangsregelung werden die in der Anlage aufgeführten Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung mit Wirkung zum 1. Januar 1998 abgelöst. Für Mitarbeiter mit Anwartschaften nach der …-Versorgungsordnung gelten für die Frage der Ablösung die Betr...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge