Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Unterrichtung des Betriebsrats bei zeitlich versetzter Beteiligung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG und § 99 BetrVG

 

Leitsatz (amtlich)

Werden die Verfahren nach § 102 BetrVG und § 99 BetrVG nicht zeitgleich, sondern nacheinander durchgeführt, so sind dem Betriebsrat die im zuerst durchgeführten Verfahren mitgeteilten Tatsachen jedenfalls dann nicht in dem weiteren Verfahren erneut mitzuteilen, wenn der Betriebsrat seine ablehnende Stellungnahme in dem zweiten Verfahren auf die im zuerst durchgeführten Verfahren abgegebene Stellungnahme stützt.

 

Normenkette

BetrVG §§ 99, 102

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Beschluss vom 12.04.2006; Aktenzeichen 14 BV 11/06)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 12. April 2006 – Az.: 14 BV 11/06 – wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Arbeitgeberin begehrt die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Versetzung des Arbeitnehmers K. innerhalb der Business-Unit N.

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen für Express-, Fracht- und Logistikdienstleistungen, welche durch Verschmelzung der D. und der D. entstanden ist. Die Verschmelzung wurde am 13. Januar 2005 in das Handelsregister eingetragen. Antragsgegner ist der nach § 3 BetrVG für die A. zuständige Betriebsrat, welcher ca. 158 Arbeitnehmer in den Betriebsteilen B., L., N. und S. vertritt.

Der Arbeitnehmer K., ein gelernter Bäcker, war seit 15. Oktober 1997 bei der Fa. D. in N. in Vollzeit als Kurierfahrer, d.h. Paketauslieferer (zu 2/3), und als Mitarbeiter im Team Handling, d.h. in der stationären Paketabfertigung (zu 1/3), beschäftigt. Die Einstufung dieser Tätigkeiten erfolgte nach der Tarifgruppe 3. lm Rahmen einer konzernweiten Umstrukturierung (sogenannte 3-D-lntegration) beschloss die Arbeitgeberin, zukünftig keine eigenen Kurierfahrer mehr zu beschäftigen. Deren Aufgaben sollten an Dritte – sogenannte Service-Partner – vergeben werden. Diese Planung wurde Anfang 2005 umgesetzt. Die Beschäftigten der Service-Partner tragen die gleiche Unternehmenskleidung und das Logo der Arbeitgeberin.

lm Bereich Umschlag (Terminal Handling) wurden in diesem Rahmen, von den Leitungsfunktionen abgesehen, lediglich Teilzeitstellen eingerichtet. Vollzeitstellen, auch unterhalb der Leitungsebene, wurden in der Disposition geschaffen. Die Disponenten werden nach Tarifgruppe 4 vergütet. Das Aufgaben- und Qualifikationsprofil für diese Stellen setzt – im Gegensatz zum Terminal Handling – unter anderem eine Ausbildung zum Speditionskaufmann voraus (wegen der Einzelheiten der Anforderungsprofile siehe Seite 3 f. der Antragsschrift, ABl. 3 f.). In der Vergangenheit wurden demgegenüber – streitig ist, in welchem Umfang – Arbeitnehmer aus dem Kreis der Kurierfahrer und dem Bereich Terminal Handling zu Disponenten befördert.

Mit Schreiben vom 04. November 2005 kündigte die Arbeitgeberin nach vorheriger Anhörung des Antragsgegners das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer K. wegen Arbeitsplatzwegfalls zum 31. Dezember 2005 und bot ihm zugleich an, das Arbeitsverhältnis ab 01. Januar 2006 als Mitarbeiter im Bereich Terminal Handling in Teilzeit mit 20 Wochenstunden fortzusetzen. Herr K. nahm das Angebot unter Vorbehalt an und erhob Klage, die unter dem Az.: 8 Ca 1337/05 N beim Arbeitsgericht Augsburg (Kammern Neu-Ulm) anhängig war und nach der Erklärung im Anhörungstermin vor dem Beschwerdegericht zugunsten der Arbeitgeberin ausgegangen ist.

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2005 (ABl. 7) unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die geplante Versetzung des Arbeitnehmers K. und beantragte die Zustimmung. Diese wurde mit dem am 22. Dezember 2005 zugegangenen Schreiben vom 21. Dezember 2005 mit der Begründung verweigert, durch die Versetzung entstünden für den betroffenen Arbeitnehmer Nachteile. Der Zustimmungsverweigerung beigefügt war die Stellungnahme des Betriebsrats (ABl. 7 bis 11) die Änderungskündigung betreffend. Darin führte der Betriebsrat aus, eine Weiterbeschäftigung im Betrieb sei möglich. Es seien im Bereich Neu – Ulm fünf Leiharbeitnehmer als Disponenten im Zeitfenster von 04:30 Uhr bis 20:30 Uhr beschäftigt. Herr K. könne zum Disponenten umgeschult werden. Disponententätigkeit sei eine Anlerntätigkeit, die keine besondere Ausbildung erfordere. In der Vergangenheit seien Disponentenstellen mit ehemaligen Kurieren oder Terminal Handling – Mitarbeitern besetzt worden. Es könne auch problemlos ein Mischarbeitsplatz, bestehend aus einem Teil Disposition und einem Teil Terminal Handling eingerichtet werden.

Mit ihrem am 05. Januar 2006 eingereichten Antrag begehrt die Arbeitgeberin die Ersetzung der verweigerten Zustimmung. Ein Grund, die Zustimmung zu verweigern, liege nicht vor. Insbesondere sei der Arbeitnehmer K. für einen Einsatz in der Disposition nicht ausreichend qualifiziert. Die Tätigkeit auf einer Disponentenstelle erfordere eine abgeschlossene kaufm...

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