Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Wegfall der Gerichtsgebühren im Falle einer Entscheidung nach § 91 a ZPO, wenn die Hauptsache durch gerichtlichen Vergleich erledigt wird

 

Leitsatz (amtlich)

Im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren fällt die volle Verfahrensgebühr an, wenn die Hauptsache durch Vergleich erledigt wird und über die Kosten durch Beschluss nach § 91 a ZPO entschieden wird. Dies gilt auch dann, wenn die Parteien auf Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung und auf die Gründe des Beschlusses verzichten.

 

Normenkette

ZPO § 91a; GKG § 3 Abs. 2 Anlage 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ulm (Aktenzeichen 8 Ca 488/07)

 

Tenor

Die Erinnerung des Klägers gegen den Kostenansatz in der Kostenrechnung vom 08.05.2009 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Von der Darstellung des Sachverhaltes wird in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen, da der Beschluss einem weiteren Rechtsmittel nicht unterfällt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß § 66 GKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Erinnerung ist unbegründet. Der Kostenansatz gemäß Nr. 8220 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG (im Folgenden: „KV-GKG”) ist nicht zu beanstanden. Eine Gebührenermäßigung oder gar ein gänzlicher Entfall der Gerichtsgebühren findet im Falle eines gerichtlichen Vergleichs über die gesamte Hauptsache und eine Kostenentscheidung gemäß § 91 a ZPO bei Verzicht der Parteien auf Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung und die Gründe des Beschlusses nicht statt.

1. Kein Wegfall der Gebühr nach der Vorbemerkung 8 KV-GKG

Nach der Vorbemerkung 8 KV-GKG entfällt die im betreffenden Rechtszug angefallene Gebühr bei Beendigung des Verfahrens durch einen gerichtlichen Vergleich. Dies gilt nicht, wenn der Vergleich nur einen Teil des Streitgegenstands betrifft (Roloff, Das moderne Kostenrecht im arbeitsgerichtlichen Verfahren, NZA 2007, 900, 908).

Der gerichtliche Vergleich muss das gesamte Verfahren erledigen, auch wenn die Vorbemerkung 8 KV-GKG etwas widersprüchlich nur den Vergleich über einen Teil des Streitgegenstands von der Privilegierung ausnimmt. Bei einem Teilvergleich und streitiger Verhandlung über einen verbleibenden Teil der Klage bleibt es bei der Gebühr Nr. 8210 KV-GKG für das Verfahren aus dem insgesamt anhängig gewordenen Gesamtstreitwert. Dies entspricht auch dem Rechtszustand für das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten, wo nach Nr. 1211 Nr. 3 KV-GKG nur der gerichtliche Vergleich, der das gesamte Verfahren erledigt, zu einer Privilegierung führt. Dafür spricht systematisch auch die abweichende wertabhängige Regelung in Nr. 1412 KV-GKG (Roloff, a.a.O., Seite 908 m. w. N.).

Aus der Vorbemerkung 8 KV-GKG folgt auch, dass die Gebührenprivilegierung nur eintreten soll, wenn insgesamt keine inhaltlich zu begründende Entscheidung des Gerichts erforderlich ist. Von den Ermäßigungstatbeständen in den für die anderen Gerichtsbarkeiten geltenden Regelungen unterscheidet sich der Wortlaut zwar, da nicht auf die Beendigung des gesamten Verfahrens, sondern auf die Beendigung des Verfahrens abgestellt wird: Die Privilegierung entfällt nur, wenn der Vergleich „einen Teil des Streitgegenstandes” betrifft. Die Vorbemerkung 8 KV-GKG ist aber teleologisch und systematisch dahin auszulegen, dass das gesamte Verfahren durch Vergleich beendet worden sein muss. Satz 2 der Vorbemerkung ist als „Teil der Streitgegenstände” zu lesen, da das Gesetz auch an anderer Stelle in seiner Ausdrucksweise nicht eindeutig ist. Soweit das Gesetz von dem „Streitgegenstand” spricht, meint es wohl die Gesamtheit der Gegenstände des jeweiligen Verfahrens. Dafür spricht schon der Begriff „Teilvergleich”. In der Praxis werden Vergleiche als „Teilvergleiche” bezeichnet, wenn sie das Verfahren nicht insgesamt, sondern nur teilweise, in Bezug auf einen oder mehrere Streitgegenstände erledigen. Auch Nr. 8211 Schlussbemerkung S. 2 KV-GKG spricht für diese Auslegung, weil hier der Begriff „Teilvergleich” zusammen mit anderen Ermäßigungstatbeständen in einer Reihe genannt wird. Alle Privilegierungen dort setzen aber voraus, dass das gesamte Verfahren beendet wird. Auch beim Vergleich geht es also um die Beendigung des gesamten Verfahrens (Roloff, a.a.O., Seite 908 m. w. N.).

Das abweichende Ergebnis lässt sich nicht mit § 36 GKG begründen. Das Kostenverzeichnis geht als speziellere Regelung vor: Es wäre widersprüchlich, wenn der Gesetzgeber in aller Genauigkeit in den Gebührentatbeständen auf den Umstand abstellt, dass das gesamte Verfahren durch eine privilegierte Handlung beendet wird, wenn dies durch § 36 GKG konterkariert werden könnte (Roloff, a.a.O., Seite 908 m. w. N.).

Die Vorbemerkung 8 KV-GKG greift nicht ein, da für die Beendigung des gesamten Verfahrens auch die Kostenentscheidung nicht mehr offen sein darf. Das ist zwar der Regelfall auf der Grundlage der §§ 98, 92 I 2 ZPO. Übertragen die Parteien jedoch nach dem Abschluss des Vergleichs die Kostenentscheidung dem Gericht etwa nach § 91a ZPO, kommt keine Gebührenermäßigung in Betracht: Mangels Einig...

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