Entscheidungsstichwort (Thema)

Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte eines Betriebsratmitglieds

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 78 BetrVG begründet keinen im Beschlussverfahren geltend zu machenden Anspruch des Betriebsrates gegen den Arbeitgeber, die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte eines seiner Mitglieder zu verlangen.

2. Ein solcher Anspruch ist individualrechtlicher Natur und kann allein vom betreffenden Arbeitnehmer im Urteilsverfahren geltend gemacht werden.

 

Normenkette

BetrVG § 78

 

Verfahrensgang

ArbG Karlsruhe (Beschluss vom 15.02.2011; Aktenzeichen 5 BV 22/10)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 15.02.2011 (5 BV 22/10) abgeändert und der Antrag zu 1.) des Antragstellers zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird für den Antragsteller zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz noch über einen vom Antragsteller (künftig: Betriebsrat) gegenüber der Antragsgegnerin (künftig: Arbeitgeberin) geltend gemachten Anspruch auf Widerruf einer Abmahnung vom 17.09.2010 und deren Entfernung aus der Personalakte des Betriebsratsvorsitzenden, dem Arbeitnehmer Dr. W.

Die Arbeitgeberin betreibt in B. eine Spezialklinik mit den operativen Hauptfachabteilungen Orthopädie und Handchirurgie, wo sie etwa 160 Arbeitnehmer beschäftigt. Bei ihr ist ein aus sieben Arbeitnehmern bestehender Betriebsrat gewählt, der im fraglichen Zeitraum noch aus sechs Mitgliedern bestand.

Der Arbeitnehmer Dr. W. steht seit 1991 in einem Arbeitsverhältnis zur Arbeitgeberin und wird seit 2002 als Oberarzt in der Abteilung Handchirurgie beschäftigt. Er ist seit Februar 2008 Mitglied des Betriebsrates, seit April 2009 dessen stellvertretender Vorsitzender und seit April 2010 dessen Vorsitzender.

Die Arbeitgeberin erteilte dem Betriebsratsvorsitzenden mit Schreiben vom 10.12.2009 (vgl. Akten 1. Instanz Bl. 6 f.; I/6 f.) eine „Betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung” weil er für den 04.12.2009 kurzfristig eine außerordentliche Betriebsratssitzung anberaumt hatte, an der auch zwei OP-Schwestern als Betriebsratsmitglieder teilnahmen, weshalb auf Operationen vorbereitete Patienten erhebliche Wartezeiten in Kauf nehmen mussten. Mit einem weiteren Schreiben vom selben Tag (vgl. I/8 f.) erteilte die Arbeitgeberin dem Betriebsratsvorsitzenden eine Abmahnung, weil er sich am 30.11.2009 während einer von ihm begonnenen Operation von einem anderen Operateur ablösen ließ, um sich auf eine am nächsten Tag stattfindende Betriebsratssitzung vorzubereiten. Im Rahmen einer vom Betriebsratsvorsitzenden vor dem Arbeitsgericht Karlsruhe im Verfahren 9 Ca 121/10 erhobenen Klage einigte er sich mit der Arbeitgeberin darauf, dass die „Betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung” nicht in seine Personalakte aufgenommen wird und die „Abmahnung” vom selben Tag spätestens zum 30.06.2010 aus seiner Personalakte zu entfernen ist.

Mit Schreiben vom 17.09.2010 (vgl. I/10 f.) erteilte die Arbeitgeberin dem Betriebsratsvorsitzenden erneut eine Abmahnung, weil er wegen einer Betriebsratssitzung eine in der Ambulanz erschienene Patientin nicht behandelt hatte. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

In der Abteilung Handchirurgie gibt es keine förmlich eingerichtete Notfallambulanz, zum Beispiel mit einem Bereitschaftsdienst. Für den Fall, dass handchirurgische Notfälle während der regelmäßigen Arbeitszeit des ärztlichen Dienstes zu versorgen sind – was selten vorkommt – wird derjenige Arzt gerufen, der verfügbar ist. Der ärztliche Dienst der Abteilung Handchirurgie besteht aus der leitenden Ärztin Dr. B., den beiden Oberärzten Dr. E. und Dr. W. (Betriebsratsvorsitzender) sowie den drei Assistenzärztinnen Dr. M., Dr. R. (teilzeitbeschäftigt) und Dr. S. (teilzeitbeschäftigt).

Am 14.09.2010 erschien vormittags eine Patientin in der Klinik zur Voruntersuchung auf eine am nächsten Tag bevorstehende operative Entfernung eines pyogenen Granuloms an einem Finger, einer Hautveränderung, bei der es zu Blutungen aus feinen Haargefäßen kommen kann. Wegen einer solchen Blutung war die Patientin mit einem Verband versorgt worden. Am Nachmittag desselben Tages erschien kurz nach 15:00 Uhr die Patientin erneut in der Ambulanz, da die Blutung am Finger so stark geworden war, dass sie durch den Verband hindurchtrat.

Zu diesem Zeitpunkt war die Assistenzärztin M. zur Ablegung einer Prüfung außer Haus. Auch die Assistenzärztin Dr. R. war außer Haus. Die Assistenzärztin Dr. S. führte, ebenso wie die leitende Ärztin Dr. B. in Operationssälen Operationen durch. Der Betriebsratsvorsitzende befand sich in der regelmäßig dienstags von 14:00 Uhr bis 17:30 Uhr durchgeführten Betriebsratssitzung und hatte sich hierzu gegenüber der leitenden Ärztin am Vormittag abgemeldet. Nachdem eine Mitarbeiterin der Ambulanz keine der Assistenzärztinnen erreicht hatte und wusste, dass sich die leitende Ärztin in einer Operation befand, wandte sie sich – so die Angaben des Betriebsratsvorsitzenden im Verfahren und auch die ...

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