Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

1) Der Hauptwahlvorstand darf eine fehlerhafte Abstimmung über die Art. der Wahl wiederholen.

2) Der Betriebswahlvorstand hat dem Abstimmunnsberechtigten die Abstimmungsunterlagen bereits dann unaufgefordert zukommen zu lassen, wenn aufgrund der Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses ernsthaft damit gerechnet werden muß, daß der Abstimmungsberechtigte möglicherweise aufgrund seiner Tätigkeit an der Abstimmungsteilnahme verhindert ist.

 

Normenkette

MitbestG § 22 Abs. 1, § 9 Abs. 3; 3. WO MitbesbG § 19 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Beschluss vom 09.03.1989; Aktenzeichen 7 BV 26/88)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 20.02.1991; Aktenzeichen 7 ABR 85/89)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts … von 9.3.1989 – 7 BV 26/88 – wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Die vier Antragsteller und Beschwerdeführer begehren die Feststellung der Unwirksamkeit der am 27.4.1988 durchgeführten Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer im Unternehmen der Beteiligten Ziffer 5. Diese ist eine GmbH, die in über 50 inländischen Betrieben und mehreren Tochtergesellschaften über 31. 000 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Antragsteller sind Arbeitnehmer der … Niederlassung.

Beteiligter Ziffer 6. ist der bei der Beteiligten Ziffer 5. bestehende Gesamtbetriebsrat, Beteiligter Ziffer 7. der Aufsichtsrat. Als Ziffer 8. bis 11. sind beteiligt im Unternehmen der Beteiligten Ziffer 5. vertretene Gewerkschaften. Bei den Beteiligten Ziffer 12. bis 21. handelt es sich um die Aufsichtsratmitglieder der Arbeitnehmer, deren Wahl in vorliegendem Verfahren angefochten wird.

Zur Durchführung der Aufsichtsratswahl im Jahr 1988 wurde im Herbst 1987 ein Hauptwahlvorstand gebildet, der zugleich als Unternehmenswahlvorstand der Beteiligten Ziffer 5. tätig wurde.

Über einen von mehr als 6.000 Arbeitnehmern unterzeichneten Antrag, die Arbeitnehmervertreter in unmittelbarer Wahl zu wählen, wurde am 9.12.87 abgestimmt. Mit Schreiben vom 10.12.87 (s. FK. Bl. 12 d.A.) teilte der Hauptwahlvorstand als „vorläufiges Ergebnis” u. a. mit, daß von 31.849 Abstimmungsberechtigten 15.393 Abstimmungsberechtigte Wahlumschläge abgegeben hätten (davon 14.301 gültige Stimmen für den Antrag auf unmittelbare Wahl), die Wahlbeteiligung bei 48,33 % liege, damit der Antrag auf unmittelbare Wahl abgelehnt sei und das endgültige Ergebnis morgen als Aushang rausgehe. Entgegen dieser Ankündigung erfolgte dann allerdings eine formelle Bekanntmachung des Abstimmungsergebnisses nicht, weil mittlerweile dem Hauptwahlvorstand infolge mehrerer Beschwerden unter anderem folgendes bekannt wurde:

Während in allen anderen vergleichbaren Betrieben der Beteiligten Ziffer 5. die Beteiligung an der Abstimmung bei 61 % gelegen hatte, beteiligten sich in der Niederlassung Hamburg nur 9,02 %, nämlich 90 von 998 Abstimmungsberechtigten an der Abstimmung. Im Unterschied zu allen früheren Wahlen, bei denen wie in allen anderen Niederlassungen, so auch in …, alle Mitarbeiter des technischen und kaufmännischen Außendienstes unaufgefordert Briefwahl-, bzw. Briefabstimmungsunterlagen erhalten hatten, und abweichend von den in Schulungs- und Informationsveranstaltungen des Hauptwahlvorstandes den Mitgliedern der Betriebswahlvorstände immer wieder erteilten Hinweisen, bei der Versendung von Briefwahl/- abstimmungsunterlagen wie bei allen vorangegangenen Wahlen großzügig zu verfahren, hatte der Betriebswahlvorstand der Niederlassung … der am 15.10.87 noch einen Bedarf von ca. 600 Briefwahlunterlagen gemeldet hatte, an mindestens 443 von 463 kaufmännischen Außendienstmitarbeitern sowie an mindestens 64 von 162 technischen Außendienstmitarbeitern keine Abstimmungsunterlagen übersandt. Im Unterschied zu allen anderen Betrieben hatte der … Betriebswahlvorstand bewußt Abstimmungsunterlagen unaufgefordert nur an die Mitarbeiter übersandt, von denen ihm definitiv bekannt war, daß sie am Tage der Abstimmung nicht im Betrieb sein würden.

Außerdem stellte sich u. a. heraus, daß im Betrieb … 35 Schichtarbeiter, die während der Schichtarbeit keine Möglichkeit hatten, an der Abstimmung teilzunehmen, versehentlich keine Abstimmungsunterlagen erhalten hatten, daß 27 vor dem 9.12.87 eingestellte Arbeitnehmer noch nicht in die Wählerliste aufgenommen waren, in der sich zu Unrecht noch 17 bereits ausgeschiedene Mitarbeiter befanden, daß eine nicht genau bezeichnete Anzahl von der Hauptverwaltung in … zugeordneten Heimarbeitern versehentlich keine Abstimmungsunterlagen erhalten hatten und in 30 Fällen richtig adressierte Abstimmungsbriefe infolge organisatorischer Mängel nicht an den zuständigen Betriebswahlvorstand gelangten und daher bei der Abstimmung unberücksichtigt blieben.

In dieser Situation entschloß sich der Hauptwahlvorstand, dem für den Fall der Durchführung der Wahl als Wahlmännerwahl bereits von anfechtungsberechtigten Personen...

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