Leitsatz

Leitsatz: Eine vertragliche Vereinbarung im Sinne des Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB (a. F.) über die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden gesetzlichen Kündigungsfristen (§ 565 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB a. F.) liegt nicht vor, wenn eine Formularklausel, die in einem vor dem 1.9.2001 abgeschlossenen Wohnraummietvertrag enthalten ist, auf "gesetzliche Kündigungsfristen" und auf eine formularmäßige Fußnote verweist, in der den dort aufgeführten Kündigungsfristen der Zusatz vorangestellt ist: "Die gesetzlich vorgesehenen Kündigungsfristen für Wohnraum betragen zzt.:" (amtlicher Leitsatz des BGH).

 

Normenkette

BGB § 573c

 

Kommentar

Der Mieter hatte im Jahr 1992 eine Wohnung gemietet. Zur Regelung der vertraglichen Beziehungen hatte der Vermieter ein Vertragsformular verwendet, in dessen § 2 hinsichtlich der Vertragszeit und der Kündigung Folgendes geregelt war:

Der Mietvertrag läuft auf unbestimmte Zeit und kann beiderseits unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen, die für beide Vertragsteile verbindlich sind, zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

Die Vertragsklausel war mit einer Fußnote versehen. Diese hatte folgenden Wortlaut:

Die gesetzlich vorgesehenen Kündigungsfristen betragen für Wohnraum zzt.:

- 3 Monate, wenn die Räume nicht mehr als fünf Jahre dem Mieter überlassen sind,

- 6 Monate, wenn die Überlassung mehr als fünf Jahre,

- 9 Monate, wenn die Überlassung mehr als acht Jahre,

- 12 Monate, wenn die Überlassung mehr als zehn Jahre

gedauert hat.

Im Januar 2003 – nach elfjähriger Mietzeit – hat der Mieter das Mietverhältnis mit dreimonatiger Frist gekündigt. Es war zu entscheiden, ob der Mieter die im Vertrag vorgesehene Frist von zwölf Monaten hätte einhalten müssen.

Dies wird vom BGH verneint: Die Fußnote zu § 2 des Mietvertrags gibt die bis zum 31.8.2001 maßgeblichen gesetzlichen Kündigungsfristen wieder (§ 565 Abs. 2 BGB a. F.). Diese Fristen wurden durch das Mietrechtsreformgesetz geändert. Seit dem 1.9.2001 kann der Mieter unabhängig von der Dauer des Mietverhältnisses mit einer Frist von drei Monaten kündigen (§ 573c BGB). In einer Übergangsvorschrift zum Mietrechtsreformgesetz ist allerdings bestimmt, dass vertragliche Kündigungsregelungen in Altverträgen (Vertragsschluss vor dem 1.9.2001) weiter gelten (Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB). Nach der Rechtsprechung des BGH gilt dies auch für solche Regelungen, die formularmäßig getroffen werden (BGH, Urteil v. 10.3.2004, VIII ZR 64/03, NJW 2004, 1447; BGH, Urteil v. 10.3.2004, VIII ZR 34/03, NJW 2004, 275). Die Regelung des Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB wurde zwar in der Folgezeit dahingehend geändert, dass formularmäßige Kündigungsbeschränkungen nicht zu beachten sind, wenn die Kündigung nach dem 31.5.2005 erklärt wird. Vorliegend hatte der Mieter aber bereits im Jahr 2003 gekündigt. Zu diesem Zeitpunkt galt die Übergangsregelung noch in der ursprünglichen Fassung.

Bei dieser Sachlage kommt es maßgeblich darauf an, ob die Fußnote zu § 2 des Mietvertrags als vertragliche Regelung über den 1.9.2001 hinaus weiterhin zu beachten ist. Hierzu führt der BGH aus, dass die Fußnote in dem vorliegenden Fall lediglich einen informatorischen Hinweis auf die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Kündigungsfrist enthalte. Dies folgt aus der Verwendung des Kürzels "zzt." (zurzeit). Die Fußnote ist deshalb so zu lesen, dass die kündigende Vertragspartei die im Zeitpunkt der Kündigung maßgebliche gesetzliche Frist einzuhalten hat. Vorliegend war dies die kurze dreimonatige Frist des § 573c BGB n. F.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 15.03.2006, VIII ZR 134/05

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