Wird der Hausfrieden durch einen psychisch kranken Mieter gestört, sind die Belange des Vermieters, des Mieters und anderer Mieter vor dem Hintergrund der Wertentscheidung des Grundgesetzes gegeneinander abzuwägen.[1] Aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ist die Notwendigkeit eines erhöhten Maßes an Toleranzbereitschaft im Zusammenleben mit behinderten Menschen abzuleiten.[2]

 
Praxis-Beispiel

Falsche Medikation

Der Mieter leidet an einer paranoiden Schizophrenie und steht unter Betreuung. Die Erkrankung wird durch Gabe von Depotmedikamenten behandelt. Die Erkrankung und deren Behandlungsbedürftigkeit waren dem Vermieter bei Abschluss des Mietvertrags bekannt. Einige Jahre später zeigte der Mieter ein deutlich geändertes Verhalten. Er trat u. a. seine und die Wohnungstür einer anderen Mieterin ein, er schrie mehrmals laut in seiner Wohnung. Das Verhalten beruhte nach Einschätzung der behandelnden Ärzte auf einem fehlerhaft veränderten Medikamentenspiegel des Mieters. Nach einer stationären Behandlung des Mieters und einer Neueinstellung der Medikation verhält er sich unauffällig.

Eine Kündigung ist in diesem Fall nicht möglich.[3] Zugunsten des Mieters sprechen in vergleichbaren Fällen maßgeblich die schwere psychische Erkrankung und deren grundsätzliche medikamentöse Behandelbarkeit. Kommt es insbesondere bei richtiger Medikation zu keinen Verhaltensauffälligkeiten, ist eine Kündigung nicht möglich.

 

Kein Schadensersatzanspruch

Der Vermieter hat in derartigen Fällen keinen Schadensersatzanspruch gegen den Mieter wegen etwa eingetretener Türen oder sonstiger Sachschäden. Denn der Mieter hat die Pflichtverletzungen nicht zu vertreten, wenn er sich in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung befunden hat.

Auch ein Betreuer kann in diesen Fällen nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Zwar kann den Betreuer als Erfüllungsgehilfe des Mieters nach § 278 BGB grundsätzlich eine Haftung treffen. Ein Betreuer hat nämlich nur beschränkte Möglichkeiten, drittschützende Maßnahme zu ergreifen. Für den Eingriff in die Rechte des Mieters bedarf es stets gerichtlicher Anordnung. Ohne sie darf der Betreuer die Freiheitsrechte des Mieters nicht beeinträchtigen.[4] Der Betreuer hat insbesondere keine allumfassende Aufsichtspflicht.[5]

[1] BGH, Beschluss v. 24.11.2009, VIII ZR 174/09.
[2] AG Hamburg, Urteil v. 15.7.2016, 46 C 144/16, ZMR 2016, 882.
[3] AG Hamburg, a. a. O.
[4] OLG Düsseldorf, Urteil v. 26.8.2009, I-15 U 26/09.
[5] AG Hamburg, Urteil v. 15.7.2016, 46 C 144/16, ZMR 2016, 882.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge