Insbesondere von hochbetagten Mietern können Hausfriedensstörungen ausgehen. Grundsätzlich schützt auch hohes Alter nicht vor einer Kündigung. Werden allerdings Störungen von einem Mieter verursacht, der schon lange im Haus wohnt und nun infolge Alters, Krankheit oder seelischer Beeinträchtigung verhaltensauffällig geworden ist, ist vom Vermieter und den Hausbewohnern ein erhöhtes Maß an Verständnis und Rücksichtnahme zu erwarten.[1]

 

Sozial adäquates Verhalten ist hinzunehmen

Beispiel: Hilferufe aus der Wohnung

Eine 90 Jahre alte Mieterin lebt seit 30 Jahren in der Wohnung und ruft vereinzelt nachts oder in den frühen Morgenstunden in ihrer Wohnung um Hilfe.

In einem solchen Fall fällt die Notwendigkeit und Bedeutung der sozialen Bindung des Mieters an sein häusliches Umfeld erheblich ins Gewicht. Von den übrigen Hausbewohnern ist daher ein erhöhtes Maß an Toleranzbereitschaft gefordert.[2]

Berücksichtigung des Grundgesetzes

Mitglieder einer Hausgemeinschaft müssen Belästigungen durch altersbedingt geistig verwirrte Mitbewohner als sozial adäquat hinnehmen, wenn sich die Belästigungen bei zutreffender, an den Wertentscheidungen des Grundgesetzes orientierter Betrachtung lediglich als harmlose Störungen darstellen. Bei der Wertung, ob es sich um hinzunehmende Störungen handelt, ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Bundesrepublik ein sozialer Rechtsstaat ist[3], in dem die Würde des Menschen unantastbar ist[4] und in dem niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf.[5] Daher ist die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Störungen durch einen altersbedingt verwirrten Mitbewohner unwirksam, wenn diese Störungen bei grundgesetzorientierter Wertung als hinnehmbar angesehen werden müssen.[6]

Weitere Beispiele

  • Die bereits hochbetagte geistig verwirrte Mieterin verschließt öfter die Hauseingangstür, weshalb es zu Störungen des im Haus befindlichen Gewerbebetriebs kommt.
  • Der ebenfalls bereits hochbetagte und geistig verwirrte Mieter verwechselt vereinzelt seine Wohnungstür mit anderen und versucht diese mit seinem Schlüssel zu öffnen.
  • Der 86-jährige Mieter stellt unberechtigt Strafanzeige wegen Anlagebetrugs gegen einen Verwandten, der ebenfalls Mieter im Haus ist.[7]
 

Tipp: Betreuung anregen

Stellt der Vermieter Verhaltensauffälligkeiten insbesondere bei hochbetagten Mietern fest, kann ihre Betreuung beim Amtsgericht angeregt werden.

Gemäß § 1896 Abs. 1 BGB bestellt das Betreuungsgericht entweder von Amts wegen oder auf Antrag des zu Betreuenden für ihn einen Betreuer, wenn er aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Da die Entscheidung auch von Amts wegen getroffen werden kann, kann sie entsprechend vom Vermieter angeregt werden.

 

Musterschreiben: Anregung zur Bestellung eines Betreuers

Amtsgericht _______

– Betreuungsgericht –

__________________

__________________

 
  Anregung zur Bestellung eines Betreuers  

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich rege an, für Herrn/Frau ___________, geb. am _______, wohnhaft in ____________ [Anschrift], einen Betreuer für folgende Aufgabenkreise zu bestellen:

  ( ) Personensorge
  ( ) Wohnungsangelegenheiten
  ( ) Aufenthaltsbestimmung
  ( ) Vermögensangelegenheiten
  ( ) Gesundheitssorge
  ( ) _____________

Ich bin Vermieter der von Herrn/Frau ___________ mit Mietvertrag vom ________ bewohnten Wohnung. Eine Kopie des Mietvertrags lege ich diesem Schreiben bei.

Seit ________ ist eine stetige Verschlechterung seines/ihres psychischen und/oder physischen Gesundheitszustands festzustellen: _____________[ausführliche Beschreibung des festgestellten Verhaltens (z. B. Demenz, Suchterkrankung, psychische Auffälligkeiten etc.)]

Herr/Frau ___________ ist nicht mehr in der Lage, für sich zu sorgen, weil _____________ [ausführliche Beschreibung dessen, was nicht mehr selbstständig erledigt werden kann]

Es ist Eile geboten, weil _____________

Soweit mir bekannt ist,

  ( ) gehört folgende Person zu den nächsten Angehörigen: _____________ [Name und Anschrift]
  ( ) hat Herr/Frau ___________ keine nächsten Angehörigen.

Mit freundlichen Grüßen

Vermieter

 
Praxis-Beispiel

Keine Kündigung trotz beleidigenden Verhaltens des Betreuers

Die 97-jährige Mieterin, die bereits seit 60 Jahren in der Wohnanlage lebt, hat ein weiteres Ein-Zimmer-Appartement für ihren Betreuer angemietet, der seit 10 Jahren für sie tätig ist. Nach und nach verschlechterten sich die Befindlichkeiten zwischen Vermieter und Betreuer. Der Vermieter drängte gegenüber dem Betreuungsgericht auf Ablösung des Betreuers. Angesichts dessen tadelloser Leistungen wurde dem Gesuch nicht entsprochen. Die Befindlichkeiten verschlechterten sich weiter, der Betreuer richtete u. a. E-Mails mit beleidigendem Inhalt an den Vermieter und die Hausverwaltung (Bezeichnung als "Terroristen" und "naziähnlicher brauner Misthaufen", die er "in den Knast schicken" und dazu veranlassen werde, "seine Stiefel und die benutzte Winde...

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