Leitsatz

Auslegung einer Kostenverteilungsvereinbarung in der Gemeinschaftsordnung hinsichtlich "gesonderter Veranlagung von Betriebskosten"

 

Normenkette

§§ 10, 16, 21 Abs. 3 und 4 WEG

 

Kommentar

  1. In der Teilungserklärung war vereinbart: "Die Wohnungseigentümer müssen alle Betriebskosten wie Wassergeld, Grundsteuer, öffentliche Abgaben, Versicherungskosten usw. – soweit nicht eine gesonderte Veranlagung erfolgt – gemeinsam tragen….". Die Gemeinschaft in dieser Mehrhausanlage hatte durch Abrechnungs- und Wirtschaftsplangenehmigungsbeschluss weitgehend alle Betriebskosten anteilig auf alle Eigentümer umgelegt. Der in seiner Sondereigentumseinheit eine Kfz-Werkstatt mit Reifenservice betreibende Anfechtungskläger besaß des Weiteren keinen Zugang in die restlichen Einheiten der Mehrfamilienhäuser. Er hatte eigene Versorgungsverträge bezüglich Frischwasserlieferung, Abwasserentsorgung sowie Gewerbemüllentsorgung abgeschlossen, was er auch der Verwaltung mitgeteilt hatte. Von im Übrigen gemeinschaftsbezogenem Wasser und auch der Müllentsorgung zog er keinen Nutzen.

    In seiner Beschlussanfechtung beanstandete er die Beschlüsse insbesondere hinsichtlich der Belastungen, über die er die eigenen Verträge abgeschlossen hatte.

  2. Das Gericht bestätigte die Ungültigkeit der Genehmigungsbeschlüsse unter Hinweis darauf, dass nach objektiven Auslegungskriterien hier in der Teilungserklärung eine Abweichung vom gesetzlichen Verteilungsschlüssel des § 16 WEG enthalten sei. Solche im Grundbuch eingetragenen Vereinbarungen sind hier wie Grundbucheintragungen auszulegen. Kostenpositionen einer Frischwasserlieferung, einer Abwasserentsorgung, Müllabfuhr und Kosten für Recyclingpapier fallen auch dann unter den Begriff "Betriebskosten", selbst wenn sie nicht ausdrücklich benannt werden. Definitionen ergeben sich insoweit aus § 556 BGB und § 2 der BetrKV bzw. zuvor geltender Berechnungsverordnung oder NMV 1970. Insoweit ist auch in der besagten Vereinbarung der Gemeinschaftsordnung von "usw." die Rede, also keiner abschließenden Aufzählung von Betriebskosten.

Was unter dem Begriff "Veranlagung" zu verstehen ist, kann dieser Begriff nicht ausschließlich steuerrechtlich verstanden werden, zumal eine Kostenverteilungsvereinbarung zunächst keine direkten steuerrechtlichen Auswirkungen hat. Vielmehr steht der Begriff u.a. auch für "Ansetzen", "Disposition", "Anlage" etc. Insoweit ist davon auszugehen, dass Betriebskosten grundsätzlich von allen Eigentümern zu tragen sind, es sei denn, dass ein oder mehrere Eigentümer diesbezüglich gesondert "veranlagt" werden bzw. "anzusetzen" sind, also gesonderte "Dispositionen" durch spezielle individuelle Vertragsabschlüsse – wie vorliegend – getroffen wurden. Nur unter dieser Einschränkung sind Betriebskosten auf alle Eigentümer zu verteilen.

Die getroffenen Beschlüsse widersprechen deshalb ordnungsgemäßer Verwaltung, ohne dass es etwa der Konkretisierung durch einen weiteren Beschluss nach § 16 Abs. 3 WEG bedarf.

Anmerkung

Die vom Gericht vorgenommene Auslegung zur vorliegend speziell getroffenen Kostenverteilungsvereinbarung ist sicher diskussionswürdig. Es wäre wohl auch ungerecht, hier den Teileigentümer nach Abschluss eigener Verträge zu einigen Betriebskostenpositionen quasi doppelt zu belasten. Allerdings hat wohl dieser Eigentümer eigenmächtig Verträge über einzelne Betriebskostenpositionen abgeschlossen und insoweit nachträglich hiervon auch die Verwaltung informiert. Wenn sich solche Sonderrechte allerdings nicht ebenfalls eindeutig aus der Gemeinschaftsordnung ergeben, könnte je nach vorgenommener Auslegung des Gerichts so gut wie jeder Eigentümer, mindestens jeder andere Teileigentümer, eigene Verträge mit Versorgern abschließen und damit den grundsätzlichen Verteilungsschlüssel unterlaufen. Klarheit könnte insoweit ohne Frage, d.h. ohne gegen das Willkürverbot zu verstoßen, die Gemeinschaft schaffen; eine solche Beschlussfassung hat das Gericht jedoch in diesem Fall nicht für geboten erachtet. Was die vorgenommene Auslegung des Begriffs "Veranlagung" betrifft, könnte auch ausschließlich auf zusätzlich getroffene Sondervereinbarungen abgestellt werden, im Ergebnis bei nicht weitergehender Vereinbarung über "gesonderte Veranlagung" auch wieder auf allgemeine Verteilungsgrundsätze auch von Betriebskosten nach § 16 Abs. 2 WEG abgestellt werden.

 

Link zur Entscheidung

AG Berlin-Charlottenburg, Urteil vom 22.08.2013, 72 C 54/13

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