Leitsatz

Wenn die Wohnungseigentümer nach der Gemeinschaftsordnung alle Betriebskosten gemeinsam tragen müssen, "soweit nicht eine gesonderte Veranlagung erfolgt", bedeutet dies, dass die Betriebskosten von allen Wohnungseigentümern gemeinsam zu tragen sind, soweit nicht (gegebenenfalls hinsichtlich aller oder nur einzelner Positionen) individuelle Verträge geschlossen wurden

 

Normenkette

§§ 16 Abs. 3, 28 Abs. 1, Abs. 3 WEG

 

Das Problem

  1. Nach der Gemeinschaftsordnung müssen die Wohnungseigentümer alle Betriebskosten gemeinsam tragen – soweit nicht eine gesonderte Veranlagung erfolgt.
  2. Ein Wohnungseigentümer betreibt als Kfz-Meister in seinem Teileigentum eine Kfz-Werkstatt mit Reifenservice. Der Kfz-Meister hat eigene Versorgungsverträge für Frischwasserlieferung, Abwasserentsorgung sowie Gewerbemüllentsorgung abgeschlossen, was er dem Verwalter auch mitteilte. Der Kfz-Meister nutzt weder das von den Wohnungseigentümern im Übrigen bezogene Wasser noch deren Müllentsorgung.
  3. Auf einer Versammlung werden die Abrechnung für 2012 und der Wirtschaftsplan 2013/2014 beschlossen. Der Kfz-Meister hält beide Genehmigungsbeschlüsse nicht für ordnungsmäßig. Abrechnung und Wirtschaftsplan verstießen gegen den in der Gemeinschaftsordnung vereinbarten Umlageschlüssel. Beide würden nicht berücksichtigen, dass er bei den Posten "Frischwasserlieferung, Abwasserentsorgung, Müllabfuhr und Recycling Papier/Pappe"gesondert veranlagt werde. Die beklagten Wohnungseigentümer halten dem entgegen, dass die Kostenvereinbarung zu unbestimmt und daher nichtig sei. Die Begriffe "Veranlagung" und "Betriebskosten" seien unklar. Es sei nicht bestimmt, welche Positionen "Betriebskosten" seien und welche Auswirkungen die Vereinbarung haben soll.
 

Entscheidung

  1. Die Beschlüsse sind nicht ordnungsmäßig. Der Kfz-Meister rüge zu Recht, dass sowohl in der Abrechnung 2012 als auch im Wirtschaftsplan 2013/2014 die Posten "Frischwasserlieferung, Abwasserentsorgung, Müllabfuhr und Recycling Papier/Pappe" entgegen des in der Gemeinschaftsordnung vereinbarten Schlüssels umgelegt werden.
  2. Die beklagten Wohnungseigentümer beriefen sich zu Unrecht darauf, dass die Kostenvereinbarung zu unbestimmt und daher nichtig sei. Was unter dem Begriff "Betriebskosten" zu verstehen sei – welche Positionen hierunter fielen – lasse sich unter Heranziehung der entsprechenden Regelungen in § 556 BGB, § 2 BetrKV bzw. der zuvor geltenden Berechnungsverordnung oder NMV 1970 unschwer auslegen. Die vom Kfz-Meister monierten Kostenpositionen fielen danach zweifellos unter den Begriff "Betriebskosten". Was unter dem Begriff "Veranlagung" zu verstehen sei, lasse sich ebenfalls unschwer ermitteln. Keineswegs sollte ausschließlich der steuerrechtliche Begriff verwendet werden, dies folge schon aus Sinn und Zweck der Norm, da die Kostenverteilung zunächst keine direkte steuerrechtliche Auswirkung habe. Vielmehr stehe der Begriff unter anderem auch für "ansetzen", "Disposition", "Anlage" etc. Insofern ergäbe die Auslegung des Begriffs unter Berücksichtigung des Regelungsgehalts, dass die Betriebskosten grundsätzlich von allen zu tragen seien, es sei denn, dass ein oder mehrere Wohnungseigentümer diesbezüglich gesondert "veranlagt" werden bzw. "anzusetzen" sind, da sie gesonderte "Dispositionen" getroffen, etwa – wie vorliegend – gesonderte/individuelle Verträge geschlossen hätten.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Wohnungseigentümer sind trotz § 16 Abs. 5 WEG befugt, Umlageschlüssel zu vereinbaren. Solange zulässigerweise nichts anderes nach § 16 Abs. 4, Abs. 4 WEG bzw. aufgrund eines auf einer Öffnungsklausel beruhenden Beschlusses bestimmt ist, muss der Verwalter vereinbarte Umlageschlüssel seinen Entwürfen für den Wirtschaftsplan bzw. der Abrechnung zugrunde legen.
  2. Voraussetzung dafür, vereinbarte Umlageschlüssel anzuwenden, ist, dass diese genau regeln, welche Fälle sie erfassen wollen. Diese Frage lässt sich häufig nicht einfach beantworten. Es ist tatsächlich vielfach unklar, welche Kosten von der Vereinbarung erfasst sein sollen. Sind in der Gemeinschaftsordnung die Begriffe "Betriebskosten", "Instandhaltung", Instandsetzung” oder "Veranlassung" nicht definiert oder näher beschrieben worden, kann man im Einzelfall zweifeln, ob ein bestimmter Kostenanfall von der Vereinbarung erfasst sein soll. Die Rechtsprechung tendiert dazu, vereinbarte Umlageschlüssel eng auszulegen. Ist eine Auslegung nicht eindeutig, wird häufig entschieden, dass im Zweifel dann der gesetzliche Umlageschlüssel "Höhe der Miteigentumsanteile" anzuwenden sei.

Was ist für Verwalter wichtig?

  1. Besteht für den Verwalter begründeter Anlass zu Zweifeln, wie weit ein vereinbarter oder beschlossener Umlageschlüssel reicht (welche Kosten ihm unterfallen), sollte er den Wohnungseigentümern seine Zweifel offenbaren, die Auslegungsmöglichkeiten schildern und sich anweisen lassen, wie er zu verfahren hat. Die Wohnungseigentümer haben zwar keine Beschlusskompetenz, Vereinbarungen auszulegen. Ein Verwalter kann sich aber grundsätzlich nicht pflichtw...

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