Wird eine Maßnahme der baulichen Veränderung mit einer Mehrheit von mehr als 2/3 der abgegebenen Stimmen beschlossen, die dabei die Hälfte der Miteigentumsanteile repräsentieren, werden die Kosten nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG dann unter allen Wohnungseigentümern verteilt, wenn sie nicht unverhältnismäßig sind.

 
Hinweis

"Mehr" oder "mindestens" die Hälfte?

Umstritten ist, ob "mehr" als die Hälfte oder "mindestens" die Hälfte der Miteigentumsanteile ausreichend sind. Nach diesseits vertretener Auffassung genügt es, wenn mindestens die Hälfte der Miteigentumsanteile repräsentiert sind.[1]

Doppelt qualifizierte Mehrheit

Voraussetzung ist zunächst, dass mehr als 2/3 der abgegebenen Stimmen für die Maßnahme stimmen und dabei die Hälfte der Miteigentumsanteile repräsentieren.

 
Praxis-Beispiel

Gesetzliches Kopfprinzip

Die Wohnanlage besteht aus 10 gleich großen Wohnungen, die jeweils 100/1.000 Miteigentumsanteile repräsentieren. In der Eigentümerversammlung sind 6 Wohnungseigentümer anwesend bzw. vertreten. 4 von ihnen stimmen für die Maßnahme. Bereits die abgegebenen Stimmen erreichen nur eine Mehrheit von 2/3 und nicht mehr als 2/3 der in der Versammlung anwesenden bzw. vertretenen Wohnungseigentümer. Darauf, dass die Zustimmenden auch nicht die Hälfte der Miteigentumsanteile repräsentieren, kommt es gar nicht mehr an. Hätten 5 der Wohnungseigentümer für die Maßnahme gestimmt, wären die formellen Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG erfüllt und alle Wohnungseigentümer wären in die Kostenverteilung eingebunden, wobei dies angesichts der Tatsache, dass nicht mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile repräsentiert sind, nicht gesichert ist.

Die Abstimmung mit der Kostenfolge des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG folgt nach dem auch ansonsten in der Gemeinschaft geltenden Stimmprinzip. Ist das gesetzliche Kopfprinzip durch Vereinbarung abbedungen und gilt das Objekt- oder Wertprinzip, findet es auch bei der Beschlussfassung über die Maßnahmen des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG Anwendung.

 
Praxis-Beispiel

Stimmprinzip Miteigentumsanteile

In der aus 10 Wohnungen bestehenden Wohnanlage repräsentieren die Wohnungseigentümer W1 und W2 jeweils 200/1.000 Miteigentumsanteile. Die übrigen 8 Wohnungseigentümer repräsentieren jeweils 75/1.000 Miteigentumsanteile. In der Wohnungseigentümerversammlung sind 5 Wohnungseigentümer anwesend bzw. vertreten. Die Baumaßnahme wird mit 4 Stimmen, darunter denjenigen von W1 und W2 beschlossen. Der Beschluss ist mit mehr als 2/3 der abgegebenen Stimmen zustande gekommen. Die Zustimmenden haben auch (mehr als) die Hälfte der Miteigentumsanteile repräsentiert.

Abstimmungsvarianten

Grundsätzlich stellt sich das Problem, dass im Vorfeld der Beschlussfassung nicht vorauszusehen ist, wie viele Wohnungseigentümer für eine Maßnahme der baulichen Veränderung stimmen werden. Dies steht erst dann fest, wenn der Versammlungsleiter das Beschlussergebnis verkündet hat. Hier stellt sich dann das weitere Problem, dass Wohnungseigentümer u. U. unter der Voraussetzung zugestimmt haben, dass eine Kostenverteilung unter allen Wohnungseigentümern erfolgen würde, tatsächlich aber nicht mehr als 2/3 der Wohnungseigentümer für die Maßnahme gestimmt haben. In solchen Fällen ist zu beachten, dass die Stimmabgabe, soweit sie dem Versammlungsleiter zugegangen ist, entsprechend § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht mehr widerrufen werden kann.[2]

Allerdings unterliegt die Stimmabgabe den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln für Willenserklärungen, also auch denen der Anfechtbarkeit gemäß §§ 119 ff. BGB.[3] Eine wegen Irrtums angefochtene Stimmabgabe muss unverzüglich nach Kenntniserlangung des Anfechtungsgrunds erfolgen und hat im Übrigen keine Auswirkungen auf die Stimmabgabe der anderen Wohnungseigentümer. Der vorausschauende Verwalter wird sich allerdings derlei Unsicherheiten nicht aussetzen und für ein geeignetes Abstimmungsverfahren sorgen.

Subtraktionsmethode

Zunächst bietet sich die Subtraktionsmethode mit Blick auf die Problematik des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG an. Bei der Subtraktionsmethode müssen lediglich 2 der vorhandenen 3 Stimmvarianten ermittelt werden, insbesondere also die Nein-Stimmen und Enthaltungen, um auf die Anzahl der Ja-Stimmen schließen zu können.

 
Praxis-Beispiel

Subtraktionsmethode

Soll über die Überdachung des Eingangsbereichs der Wohnanlage ein Beschluss gefasst werden und sind von den 20 Wohnungseigentümern 15 in der Versammlung anwesend, von denen dann 5 bei der Abfrage der "Nein"-Stimmen ihre Hand heben, wird für die übrigen Wohnungseigentümer erkennbar, dass das qualifizierte Quorum mit der Folge einer Kostenverteilung unter sämtlichen Wohnungseigentümern nicht erreicht wird. Denn die übrigen 10 Wohnungseigentümer stellen zwar 2/3 der Wohnungseigentümer dar, aber eben nicht mehr als 2/3 von ihnen, wie es § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG erfordert. Wollen diese 10 Wohnungseigentümer oder auch nur einer von ihnen für den Fall des Zustandekommens eines einfachen Mehrheitsbeschlusses nicht mit den Kosten der...

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