Leitsatz

Ein Beschluss, der es dem Verwalter nach seinem Ermessen erlaubt, das Sondereigentum wegen Mängeln des gemeinschaftlichen Eigentums instand setzen zu lassen, ist nichtig.

 

Normenkette

§ 21 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4 WEG

 

Das Problem

Die Wohnungseigentümer beschließen, die Außenwände des Gebäudes reparieren zu lassen, weil durch die Wände Feuchtigkeit in das Sondereigentum einer Reihe von Wohnungseigentümern eindringt und dort zu Schimmelbefall geführt hat. Die Wohnungseigentümer der betroffenen Sondereigentumseinheiten sollen sich wegen der Schäden in ihren Einheiten beim Verwalter melden, der die Arbeiten koordiniert und den Auftrag an die D-GmbH vergeben soll. Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor.

 

Die Entscheidung

  1. Der Beschluss ist nach Ansicht des Landgerichts nichtig. Es fehle an einer Beschlusskompetenz. Der Beschluss laufe auf eine unzulässige Kompetenzverlagerung hinaus. Der Beschluss delegiere eine wesentliche Aufgabe der Eigentümerversammlung auf den Verwalter. Nach dem Beschluss solle der Verwalter entscheiden, auf welche Art und Weise und zu welchen Kosten das Sondereigentum instand gesetzt wird.
  2. Der Beschluss widerspreche überdies ordnungsmäßiger Verwaltung. Vor einer Instandsetzungsmaßnahme sei der Schadensumfang zu ermitteln, dessen Ursachen sowie der Instandsetzungsbedarf. Da im Hinblick auf eine Sanierungsmaßnahme eine Kosten-Nutzen-Analyse zu erstellen sei, erfordere eine ordnungsmäßige Instandsetzungsmaßnahme, dass vor einer Auftragsvergabe 3 Vergleichsangebote eingeholt werden, jedenfalls wenn das Auftragsvolumen einen Betrag von etwa 5.000 EUR überschreite. Hieran fehle es.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Die Wohnungseigentümer besitzen die Möglichkeit, im Wege der Vereinbarung von einer gemeinschaftlichen Verwaltung abzuweichen und z.B. einem Wohnungseigentümer, einer Gruppe von Wohnungseigentümern oder dem Verwalter Verwaltungskompetenzen konkurrierend oder verdrängend zu übertragen. Eine Grenze ist erreicht, soweit etwas anderes ausdrücklich bestimmt ist. Daneben sind Kompetenzverlagerungen an §§ 134, 138, 242 BGB sowie an der "Kernbereichslehre" zu messen. Die Gestaltungsfreiheit der Wohnungseigentümer soll danach dort enden, wo die "personenrechtliche Gemeinschaftsstellung" ausgehöhlt wird.
  2. Ob durch einen Beschluss Verwaltungskompetenz übertragen werden kann, ist streitig. Die wohl h.M. hält eine Kompetenzverlagerung durch Beschluss für möglich. Dies gelte namentlich bei größeren Wohnungseigentümergemeinschaften und für nicht vorhersehbare Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen, die keine Notmaßnahmen sind. Jedoch "müsse für die einzelnen Wohnungseigentümer das finanzielle Risiko überschaubar sein". Eine solche Begrenzung könnte etwa durch ein festes Jahresbudget, dessen Höhe sich an der anteiligen Belastung für die einzelnen Wohnungseigentümer zu orientieren hat, herbeigeführt werden. Denkbar wäre auch eine gegenständliche Beschränkung, weil auch dadurch das Risiko für die einzelnen Wohnungseigentümer kalkulierbar bliebe. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Sie ist pragmatisch, findet aber keine Stütze im Gesetz und ist abzulehnen. Das Vereinbarungserfordernis für die Verlagerung von Kompetenzen kann nicht dadurch "umgangen" werden, dass die Wohnungseigentümer einen Dritten durch Beschluss bevollmächtigen, ihnen obliegende Aufgaben wahrzunehmen oder ihnen zustehende Befugnisse auszuüben. Die durch Beschluss erteilte Rechtsmacht hat sich auf den Vollzug des Willens und der Entscheidungen der Wohnungseigentümer zu beschränken (= Vertretungsmacht), da ansonsten deren maßgebliches Recht auf Mitwirkung an der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ausgehöhlt würde (Bub/Bernhard, FD-MietR 2015, 365014). Fassen Wohnungseigentümer dennoch einen eine Verwaltungskompetenz übertragenden Beschluss, ist dieser nicht ordnungsmäßig oder nichtig. Was gilt, ist davon abhängig, ob die Übertragung der Verwaltungskompetenz berechtigen soll, diese mehrfach wahrzunehmen, oder nur im Einzelfall. Ist eine mehrfache Wahrnehmung geplant, ist der Beschluss nichtig; ansonsten ist er nur anfechtbar.

Was ist für den Verwalter wichtig?

  1. Werden im Verwaltervertrag Verwaltungskompetenzen übertragen, kommt dem meines Erachtens keine Bedeutung zu (a.A. Lehmann-Richter, Die Übertragung von Entscheidungskompetenzen im Verwaltervertrag am Beispiel der Vermögensverwaltung, ZWE 2015, S. 193). Dies wäre ein nichtiger Vertrag zulasten der Wohnungseigentümer (BGH v. 17.11.2011, V ZB 134/11, NJW 2012 S. 1152 Rn. 9). Der Abschluss des Vertrags ist außerdem weder Vereinbarung noch Beschluss. Wird der Inhalt des Verwaltervertrags durch Beschluss genehmigt, sind dort bestimmte Übertragungen von Verwaltungskompetenzen regelmäßig dennoch nichtig, weil der Verwalter berechtigt sein soll, diese mehrfach wahrzunehmen.
  2. Zu seiner Sicherheit sollte sich ein Verwalter Kompetenzen, die ihm im Verwaltervertrag übertragen werden, jedenfalls jedes Jahr erneut durch Beschluss zuweisen lassen – vor allem die Kompetenz, kleine Ins...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge