6.2.1 Vorläufiges Insolvenzverfahren

 

Rz. 149

Wird ein sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter durch das Insolvenzgericht bestellt, ändert sich an der Mietzahlungspflicht des Mieters grundsätzlich nichts. Er muss weiter seine Miete an seinen Vermieter zahlen. Nur dann, wenn der vorläufige Verwalter ausdrücklich ermächtigt ist, Außenstände des Schuldners – hier des Vermieters – einzuziehen (vgl. dazu BGH, Urteil v. 15.3.2012, IX ZR 249/09, NJW-RR 2012, 1004), hat der Mieter die Miete an den vorläufigen Verwalter zu zahlen.

Ist ein sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter durch Auferlegung eines Verfügungsverbotes für den Schuldner (hier: Vermieter) bestellt worden, kann der Mieter Zahlungen mit befreiender Wirkung nur noch an den Insolvenzverwalter leisten (§ 82 InsO i. V. m. § 24 Abs. 1 InsO). War die vorläufige Insolvenzverwaltung noch nicht bekannt gemacht, wird der gutgläubige Mieter durch Zahlung an den Vermieter frei. Die Beweislast, dass der Mieter die Bestellung des vorläufigen (starken) Insolvenzverwalters kannte und deswegen nicht mit befreiender Wirkung an den Vermieter zahlen durfte, trägt in diesem Fall der vorläufige Insolvenzverwalter. Umgekehrt wird die Kenntnis des Mieters von der Verfügungsbeschränkung dann vermutet, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens öffentlich bekannt gemacht worden war, sodass der Mieter die Beweislast für seine Unkenntnis trägt, wenn er sich darauf beruft, mit befreiender Wirkung an seinen Vermieter geleistet zu haben. Die Bekanntmachung gilt als bewirkt, sobald nach dem Tag der Veröffentlichung in dem für amtliche Bekanntmachungen des Gerichts bestimmten Blatt zwei Tage verstrichen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 3 InsO).

Die Bestellung eines starken vorläufigen Verwalters führt zur Unterbrechung eines Rechtsstreits über die Insolvenzmasse (§ 240 Satz 2 ZPO). Dasselbe gilt, wenn das Insolvenzgericht keinen Insolvenzverwalter bestellt, sondern Eigenverwaltung durch den Schuldner anordnet (BGH, Beschluss v. 7.12.2006, V ZB 93/06, GE 2007, 364). Wird nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Klage erhoben, unterfällt dies nicht § 240 ZPO. Hatte der Kläger unverschuldet keine Kenntnis von dem Eröffnungsbeschluss, bleibt ihm die Möglichkeit einer Klagerücknahme gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO (LG Saarbrücken, Beschluss v. 30.6.2005, 13B T 17/05, ZMR 2006, 46). Ein selbständiges Beweisverfahren wird nicht unterbrochen.

6.2.2 Endgültiges Insolvenzverfahren

 

Rz. 150

Auch nach Eröffnung des eigentlichen Insolvenzverfahrens besteht das Mietverhältnis mit Wirkung für und gegen die Masse fort, allerdings nur dann, wenn die Mietsache im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Mieter bereits überlassen worden ist (BGH, Urteil v. 5.7.2007, IX ZR 185/06, NZM 2007, 883). Der Mieter darf nur noch an den Insolvenzverwalter zahlen. War die Verfahrenseröffnung noch nicht bekannt gemacht, wird der gutgläubige Mieter durch Zahlung an den Vermieter frei. Die Beweislast, dass der Mieter die Verfahrenseröffnung kannte und deswegen durch Zahlung an den Vermieter nach Eröffnung nicht von seiner Schuld befreit wurde, trägt der Insolvenzverwalter. Umgekehrt wird die Kenntnis des Mieters von der Eröffnung dann vermutet, wenn diese öffentlich bekannt gemacht worden war, so dass der Mieter die Beweislast für seine Unkenntnis trägt, wenn er sich darauf beruft, mit befreiender Wirkung noch nach Eröffnung des Verfahrens an seinen Vermieter geleistet zu haben. War die Zwangsverwaltung des Grundstücks des Vermieters angeordnet worden, muss der Mieter weiterhin an den Zwangsverwalter zahlen, da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Zwangsverwaltungsverfahren nicht beendet.

Dem Insolvenzverwalter steht kein Kündigungsrecht zu. Auch der Mieter kann nicht wegen Insolvenz des Vermieters außerordentlich kündigen (BGH, Urteil v. 23.1.2002, XII ZR 5/00, GE 2002, 1327, 1328). Gerät der Insolvenzverwalter mit der Mängelbeseitigung in Verzug, hat der Mieter ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe des drei- bis fünffachen Minderungsbetrages der Bruttowarmmiete (BGH, Urteil v. 20.7.2005, VIII ZR 347/04, GE 2005, 1120) auch gegenüber dem Insolvenzverwalter, so dass er bis zur Beseitigung des Mangels wegen des zurückbehaltenen Betrages grundsätzlich nicht in einen kündigungsbegründenden Verzug gerät.

Der Mieter kann gegen den Anspruch des Insolvenzverwalters auf Zahlung der nach Verfahrenseröffnung fälligen Miete mit Ansprüchen auf Auszahlung eines Betriebskostenguthabens für Zeiträume vor Verfahrenseröffnung aufrechnen, sobald sich die Forderungen aufrechenbar gegenüberstehen (BGH, Urteil v. 21.12.2006, IX ZR 7/06, GE 2007, 288); denn Mietzahlungsansprüche stehen bedingten Forderungen i. S. d. § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO gleich (BGH, Urteil v. 30.1.1997, IX ZR 89/96, ZIP 1997, 513 ff.). Außerdem kann er gegen eine Mietforderung aufrechnen, sofern es sich um die Miete für den zur Zeit der Eröffnung laufenden Kalendermonat bzw. bei Eröffnung nach dem 15. Tag des Monats um die Miete für den folgenden Kalendermonat handelt. Vorleistungen des Mieters für diesen Zeitraum sind wirksam, spätere Vora...

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