Leitsatz

In der Praxis taucht beim Minderjährigenunterhalt häufig die Frage auf, was der Unterhaltsverpflichtete im Rahmen seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit alles unternehmen muss, um seine Leistungsfähigkeit zur Leistung des Kindesunterhalts zu gewährleisten. In dieser Entscheidung hat sich das OLG mit einer Konstellation auseinandergesetzt, in der der Unterhaltspflichtige nach Abschluss einer Berufsausbildung ein Studium aufgenommen hatte und sich auf Leistungsunfähigkeit berief.

 

Sachverhalt

Der Antragsgegner war der leibliche Vater eines am 7.8.2004 geborenen Kindes, für das Leistungen nach dem UVG gewährt wurden.

Der Antragsteller machte aus übergegangenem Recht Unterhaltsrückstände bis zum 31.7.2009 geltend. Der Antragsgegner hatte nach erfolgreichem Abschluss einer Ausbildung zum Netzwerktechniker ein Studium der Informatik aufgenommen. Er erhielt Leistungen nach dem BAföG i.H.v. 567,00 EUR und erzielte Einkünfte aus einer Nebentätigkeit im Umfang von 37,5 Monatsstunden i.H.v. ca. 300,00 EUR monatlich.

Das erstinstanzliche Gericht sah den Lebensbedarf des Antragsgegners durch die BAföG-Leistungen größenteils gedeckt, so dass die Nebeneinkünfte zum Unterhalt eingesetzt werden mussten. Es hat dem Antrag in vollem Umfang stattgegeben.

Hiergegen wandte sich der Antragsgegner mit der Beschwerde.

Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidung

Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen und die Auffassung vertreten, der Antragsgegner habe gegen seine aus § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB folgende Verpflichtung zur gesteigerten Ausnutzung seiner Arbeitskraft und Ausschöpfung aller zumutbaren Erwerbsmöglichkeiten verstoßen. Ihm sei daher ein fiktives Einkommen zuzurechnen.

Sein Lehrberuf biete ihm ausreichendes Einkommen zur Sicherung des Lebensbedarfs. Die Aufnahme des Studiums verstoße gegen seine Erwerbsobliegenheit.

Die Verdienstmöglichkeiten des Antragsgegners sowie die Kenntnis der gesteigerten Unterhaltsverpflichtung bei Aufnahme des Studiums führten dazu, dass das Aus- und Weiterbildungsinteresse des Antragsgegners hinter dem Unterhaltsinteresse des Kindes zurücktreten müsse.

 

Hinweis

Hat ein Unterhaltspflichtiger keine Berufsausbildung abgeschlossen, steht auch bei gesteigerter Erwerbsobliegenheit gegenüber minderjährigen Kindern sein Ausbildungsinteresse über dem Unterhaltsinteresse des Kindes. Anderes gilt nach der Entscheidung des OLG München dann, wenn eine Lehre erfolgreich abgeschlossen worden ist und der Lebensbedarf mit Einkünften hieraus gesichert werden kann.

Diese Rechtsprechung führte letztendlich dazu, dass bei Minderjährigenunterhalt jedem Unterhaltspflichtigen ein geplantes Studium versagt bleibt, wenn er mit den Einkünften aus dem erlernten Beruf sowie eventuellen Nebeneinkünften Unterhalt leisten kann.

Höchstrichterlich ist nach wie vor nicht geklärt, ob Schule-Lehre-Studium als "einheitliche Ausbildung" und damit insgesamt als Erstausbildung dem Unterhaltsinteresse vorgeht.

 

Link zur Entscheidung

OLG München, Beschluss vom 16.09.2011, 12 UF 129/11

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